Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Krankreich. (Dezember 24.) 575 
24. Dezember. (Kammer.) Ministerpräsident Doumergue er- 
klärte in der Kommission für die auswärtigen Angelegenheiten, er 
sei entschlossen, weiter in der politischen Richtung zu arbeiten, die 
von seinen Vorgängern innegehalten worden sei. 
Doumergue fuhr fort: „In der Balkanfrage, die das orientalische 
Problem in tiefgreifender Weise verändert hat und deren Erschütterungen 
derartige waren, daß sie die Beziehungen der Großmächte stören konnten, 
war die republikanische Regierung bemüht, die speziell französischen Inter- 
essen, die im gesamten Orient bestehen, zu wahren und in vollkommener 
Entente mit Rußland und England an der Lösung der Fragen zusammen- 
zuarbeiten, die ein doppelter Krieg in der Schwebe ließ.“ Doumergue fügte 
hinzu, er werde bestrebt sein, wie seine Vorgänger, die moralischen und 
materiellen Interessen Frankreichs in den Ländern des Orients zu wahren 
und zu entwickeln und durch vertrauensvolles Zusammenarbeiten mit seinen 
Freunden und Verbündeten in Verbindung mit den anderen Großmächten 
schließlich zu den Lösungen zu gelangen, die der Stärkung des Friedens 
am günstigsten seien. Doumergue erklärte weiter, daß er gegenwärtig nicht 
ohne Unzuträglichkeiten in Erörterung der Einzelheiten aller Verhandlungen 
während der schweren Balkankrise eintreten könne. Da die meisten dieser 
Verhandlungen noch nicht zum Abschluß gekommen seien, wäre es unklug, 
im voraus ihre Lösung zu bestimmen. Auch würde es der internationalen 
Höflichkeit nicht entsprechen, Absichten in Rechnung zu stellen, die einzelne 
Regierungen enthüllen könnten, da sie ja selbst nicht wissen könnten, ob die 
Umstände es ihnen erlauben würden, den Absichten Folge zu geben. 
Doumergue ging also nur auf die wichtigsten Fragen ein. Hinsichtlich des 
französisch-türkischen Uebereinkommens über die Schul- und Wohltätigkeits- 
anstalten sagte Doumergue, daß die mit der Türkei hinsichtlich dieser An- 
stalten gepflogenen Verhandlungen, ob es sich nun um Laienwerke handele 
oder nicht, zu einem Einvernehmen zwischen dem französischen Botschafter 
und dem Großwesir geführt hätten. Das Uebereinkommen, das später die 
Genehmigung des Saltans erhalten würde, setze ein Statut für die Schul- 
und Wohltätigkeitsanstalten fest in der Art, daß die Schulen und Hospitäler 
der religiösen Gemeinschaften, die unter dem französischen Protektorat 
ständen, nicht mehr der Willkür der Lokalverwaltungen preisgegeben sein 
würden, jedoch in gerechtem Maße sich den neuen Bedürfnissen der Türkei 
anpassen müßten. Durch dasselbe Uebereinkommen sei für die marokkanischen 
und tunesischen Schutzbefohlenen Gleichstellung mit den Algeriern bezüglich 
der Rechtsprechung erlangt worden. Schließlich sichere das Uebereinkommen 
den Franzosen im ottomanischen Kaiserreiche im Falle der Verhaftung und 
der Untersuchungshaft wertvolle Garantien. Was den moralischen Einfluß 
Frankreichs in Syrien betreffe, so seien Rechts= und Gewerbeschulen in 
Beirut geschaffen worden. Soweit es die Kredite gestatten werden, sollen 
Handwerkerschulen in Damaskus und Mossul errichtet werden. Die Re- 
gierung erwäge gleichfalls die Schaffung eines Berufsvizekonsulats in Homs. 
Doumergue fügte hinzu, daß er alles unterstützen werde, was an der Ver- 
breitung der französischen Sprache und des französischen Einflusses arbeite. 
Die in der Türkei investierten französischen Werte erreichten gegenwärtig 
drei Milliarden. Die durch den Krieg unterbrochene Arbeit der inter- 
nationalen Finanzkommission werde nicht verloren gehen. Doumergue fügte 
hinzu: Ich hoffe, die Kommissare der Mächte einladen zu können, nach 
Paris zurückzukommen, damit sie ihre Aufgabe beenden. Doumergue be- 
tonte sodann, daß die französische Diplomatie zum Schutz aller Besitzer
	        
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