Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

586 Stalien. (Oktober 2.—17.) 
Tatsache, daß es infolge des einmütigen Willens aller Großmächte gelang, 
rößere Konflikte zu vermeiden, läßt hoffen, daß eine lange Periode des 
riedens für Europa beginnt. 
In dieser Zeit ist die wirtschaftliche Entwicklung nicht gesichert, 
wenn man nicht das feste Gleichgewicht der Kräfte unter den verschiedenen 
Mächten aufrecht erhält und wenn auch unser Land nicht seine militärischen 
Kräfte zu Wasser und zu Lande entsprechend seinen politischen Verhält- 
nissen, seiner Lage, die es in Europa hat, und der Wichtigkeit der großen 
Interessen, die es schützen muß, stark erhält. Im Rüstungswettbewerb 
der letzten Zeit hat Italien niemals die Notwendigkeit, seine militärischen 
Ausgaben den finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen, 
außer acht gelassen, so wird es auch in Zukunft sein; wir glauben den 
Grundsatz der zweijährigen Dienstzeit aufrechterhalten zu müssen, aber 
wir werden die Abschaffung des Freiwilligenjahres vorschlagen. Unverzüg- 
lich müssen unsere militärischen Streitkräfte die vollkommenste Bewaffnung 
erhalten, und namentlich muß der Bau von Kriegsschiffen beschleunigt 
werden, damit unsere Marine die zur Wahrung unserer Rechte und unserer 
legitimen Interessen notwendige Macht erhalte. Die Mittel für den Bau 
von Schiffen müssen nach unserer Ansicht durch ordentliche Kredite beschafft 
werden, die den zur Verfügung stehenden Mitteln und den Endzwecken an- 
gemessen sind. 
Unsere Finanzen sind gut, und die im letzten Krieg von unserer 
Widerstandskraft abgelegte Probe hat in der Welt den Kredit Italiens noch 
gehoben, dem es auch zum Vorteil gereicht hat, daß es niemals zu aus- 
wärtigem Kapital seine Zuflucht zu nehmen brauchte. Die Einnahmen aus 
den Steuern weisen eine ständige Zunahme auf, und die Staatsbudgets 
zeigen seit vielen Jahren beträchtliche Ueberschüsse. Wenn indessen in künf- 
tigen Jahren eine Maßnahme nötig werden sollte, um ein Balanzieren 
des Staatsbudgets zu erreichen, so wird die Regierung doch nichts von den 
weniger wohlhabenden Klassen fordern.“ 
2. Oktober. (Rom.) Der Patriot und Freiheitskämpfer Sena- 
tor Francesco Cuchhi f. 
9. Oktober. Unter der Spitzmarke „Neue Gehässigkeiten öster- 
reichischer Behörden gegen Italiener“ melden die Blätter die Nicht- 
bestätigung des Gemeindearztes von Valdanico in Südtirol, weil 
er, obwohl Trentiner, sein Diplom in Padua erworben hat. 
16. Oktober. (Palermo.) Der Advokat Paternostro tötete 
durch fünf Revolverschüsse den sizilianischen Industriellen Saladino. 
Paternostro war ein eifriger Anhänger, der Erschossene ein Gegner 
der Kandidatur des ehemaligen Ministers Nasi. 
17. Oktober. Freundschaftlicher Rat an Serbien. 
Wie die „Agenzia Stefani“ mitteilt, hat die Regierung in Belgrad 
freundschaftliche Schritte unternommen, um im wohlverstandenen Interesse 
Serbiens der serbischen Regierung zu verstehen zu geben, wie schwer die 
Folgen wären, denen sich Serbien aussetzen würde, wenn es dem Willen 
Europas Widerstand leisten würde. Dieser Wille sei in den einstimmigen 
Beschlüssen der Londoner Botschafterkonferenz ausgedrückt worden, die die 
Grenzen Albaniens festsetzte. Die italienische Regierung hat sich auch an 
die Großmächte gewandt, damit diese der serbischen Regierung die gleichen 
Ratschläge erteilen.
	        
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