Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

588 Stalien. (Dezember 3.—12.) 
gegebenen Stimmen 304, der Sozialdemokrat Pramoolini 81 Stimmen. 
Marcora ist somit zum Kammerpräfidenten gewählt. 
Die Regierungsmoajorität umfaßt fast zwei Drittel aller Deputierten. 
Die Opposition, die für ihren Kandidaten nur 81 Stimmen aufbringen 
konnte, wird von Fall zu Fall auf Zuzug aus den Reihen der Unent- 
schiedenen rechnen können. Diese gaben 67 weiße und 16 ungültige Zettel 
ab, während 6 Stimmen zersplittert waren. 
3. Dezember. (Kammer.) Eine republikanische Kundgebung. 
Bei der Verhandlung über eine Anfrage wegen eines am 15. No- 
vember in Rimini zwischen der Menge und der Polizei vorgekommenen 
Zusammenstoßes rief der republikanische Abgeorenete Gaudenzi: „Nieder 
mit Savoyen!“" Der Unterstaatssekretär im Ministerium des Innern Falcioni 
protestierte lebhaft und rief: „Es lebe der König!“ Das ganze Haus, mit 
Ausnahme der äußersten Linken, erhob sich von den Plätzen und rief wieder- 
holt: „Es lebe der König!“ An den stürmischen Beifallsrufen beteiligten 
sich auch die Tribünen, während die äußerste Linke lärmte. Der Präsident 
rief die Ruhestörer energisch zur Ordnung, womit der Zwischenfall er- 
ledigt war. 
4. Dezember. (Kammer.) Bei der Beratung der Antwort- 
adresse auf die Thronrede hielt der republikanische Abgeordnete Bar- 
zilai eine Rede über die italienisch-österreichischen Beziehungen. 
Er sagte darin, die Politik der österreichisch-italienischen Beziehungen 
gleiche einem Gebäude, das beständig repariert werden müsse. Wenn man 
unter Irredentismus eine den Forderungen des Landes und den wirklichen 
Verhältnissen Europas unangemessene Abenteuerpolitik und die Absicht ver- 
stehe, einen großen europäischen Krieg für die Eroberung der italienischen 
Provinzen Oesterreichs anzufangen, so sei das im Programm keiner Partei 
und keines Politikers enthalten. Wenn man aber als FIrredentismus die 
volle Interessen= und Gefühlssolidarität und die Pflicht wirksamer und 
ständiger Hilfe gegen den Versuch, die Bevölkerung dieser Provinzen aus 
den Reihen der italienischen Nation zu streichen, bezeichne, dann sei er, 
oder sollte er wenigstens, das Programm des ganzen Landes sein. Barzilai 
warf dann einen Rückblick auf die Angelegenheit des Dekrets des Prinzen 
Hohenlohe. Er freue sich, daß bei dieser Gelegenheit die italienische Re- 
gierung unter Vermeidung nutzloser diplomatischer Konflikte in Wien zu 
verstehen gegeben habe, daß die Politik Oesterreich-Ungarns gegenüber den 
italienischen Untertanen der österreichisch-ungarischen Monarchie nicht dem 
herzlichen Einvernehmen der beiden Völker entspreche. Er bedaure nur, 
daß man nicht eine wirksamere Genugtuung habe erlangen können. Barzilai 
kam ferner auf die Zusammenstöße zwischen österreichischen und italienischen 
Studenten in Graz zu sprechen und gab seinem Bedauern über die Slawi- 
sierung Dalmatiens, Istriens und Triests Ausdruck. Bei Besprechung des 
österreichisch-italienischen Zusammengehens in der albanischen Frage sprach 
er seine Zweifel für die Zukunft aus. In der Zusammenarbeit der beiden 
Nationen herrsche nicht gegenseitige Zuneigung, sondern Argwohn. Mit 
der Schaffung Albaniens würde nicht das Ziel erreicht, auf das man es 
abgesehen hätte, nämlich, die Slawen vom Adriatischen Meer auszuschließen. 
Die Slawen würden im Gegenteil den Italienern gegenüber in Oesterreich- 
Ungarn erheblich begünstigt. 
12. Dezember. (Florenz.) Verhaftung des Diebes der „Mona- 
Lisa"“.
	        
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