I#slien. (Dezember 13. 16.) 589
Der Verhaftete heißt Vincenzo Perugia, ist 31 Jahre alt, stammt
aus Como und ist von Beruf Dekorationsmaler. Er arbeitete im August
1911 als Arbeiter im Louvre und hörte sagen, daß viele italienische Kunst-
werke von Franzosen geraubt und außer Landes gebracht worden seien.
Als er die „Mona Lisa“ als schönstes unter diesen nennen hörte, schnitt
er bei günstiger Gelegenheit die Leinwand aus dem Rahmen und verbarg
den Raub vorläufig unter dem Treppenhaus; dann brachte er sie aus dem
Louvre heraus, indem er sie unter seiner Jacke verbarg, und zwar zu einer
Zeit, als der Diebstahl schon bekannt war. Zwei Jahre behielt er das Bild
in seiner Wohnung. Schließlich schrieb er, durch die Nachrichten über den
hohen Wert verführt, einen Brief an den Antiquar Geri in Florenz, der
ihm als bestens zahlend bekannt wurde, und forderte eine halbe Million.
Geri glaubte, es mit einem Verrückten zu tun zu haben, bewilligte ihm
aber auf den Rat des Direktors der Uffizien, Poggi, eine Zusammenkunft.
Perugia erschien und wurde verhaftet.
13. Dezember. (Ostia.) Der Archäologe Dante Vaglieri f,
48 Jahre alt.
16. Dezember. (Kammer.) In der Debatte über die Adresse
zur Beantwortung der Thronrede ergriff der Minister des Außern
Marchese de San Guiliano das Wort in Erwiderung auf die Rede
des Republikaners Barzilai:
„In diesem Augenblick, wo eine der größten internationalen Krisen,
welche die Geschichte verzeichnet, noch nicht vollständig überwunden, schweben
zahlreiche wichtige Fragen, und zahlreiche wichtige Interessen unseres Landes
und unserer Länder stehen auf dem Spiel, und einige dieser Interessen
stellen dringende Lebensinteressen dar. Demgemäß kann keine dieser Fragen
für sich allein behandelt und gelöst werden. Die zwei schwebenden Fragen,
die Lebensinteressen für Italien berühren, sind die der Abgrenzung Alba-
niens und die des östlichen Mittelmeers. Speziell die Frage der albanesischen
Südgrenze, die direkt das Gleichgewicht, die Freiheit und Sicherheit in der
Adria berührt, bedeutet für Italien und Oesterreich-Ungarn ein identisches
Lebensinteresse, und die beiden Mächte sind gleichmäßig und gemeinsam
entschlossen, dieses Interesse zu wahren. Für die anderen Großmächte hat
diese Frage ein Interesse zweiten Ranges. Wir haben daher Grund, zu
glauben, daß dank dem Geiste der Versöhnung und dem einmütigen Wunsch
nach Frieden, der alle Großzmächte beherrscht, Italien und Oesterreich-Ungarn
ihre berechtigten und billigen Forderungen verwirklicht sehen werden. Wir
wollen nicht, wie der Abgeordnete Barzilai gemeint hat, in Albanien
Italiener schaffen, um sie anderwärts aus der Welt schaffen zu lassen; wir
wollen vielmehr aus Albanien eine Nation machen, unabhängig von uns
wie von jeder andern Macht. Wir wollen, entsprechend dem Grundsatz der
Nationalität, der unser Ruhm und unsere Stärke ist, aus Albanien einen
Faktor des Gleichgewichts und der Sicherheit im Adriatischen Meere machen.
Wir haben daher den Wunsch, und er ist in erheblichem Maße schon er-
füllt, daß die Neutralität und die Unabhängigkeit Albaniens unter die
Bürgschaft und Kontrolle nicht nur der beiden Adriamächte, sondern aller
sechs Großmächte gestellt werde. Wir wünschen das gerade, weil wir
glauben, daß diese Lösung feste Bürgschaften für die Aufrechterhaltung und
Entwicklung der intimen Beziehungen zwischen Italien und Oesterreich-
Ungarn schafft, die wir in gleicher Weise als notwendig ansehen für die
höchsten Interessen der beiden verbündeten Mächte. Die gemeinsame Er-