Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

628 Tũrkei. (Januar 19. -23.) 
wahren, denen sich auszusetzen sie ihr bereits widerraten haben und auch 
weiter widerraten. Wie die Dinge liegen, wird die kaiserlich ottomanische 
Regierung nach dem Friedensschluß den moralischen und materiellen Bei- 
stand der Großmächte bedürfen, um die Schäden des Krieges wieder gut 
zu machen, ihre Stellung in Konstantinopel zu befestigen und die weiten 
asiatischen Gebiete in guten Stand zu setzen, deren Gedeihen ihre wirk- 
samste Stärke sein wird. Um dieses notwendige Werk zu unternehmen und 
durchzuführen, wird die Regierung Sr. kaiserlichen Majestät des Sultans 
auf die Wirksamkeit der wohlwollenden Unterstützung der Mächte nur rechnen 
können, wenn sie ihren Ratschlägen folgen wird, die von den allgemeinen 
Interessen Europas und denen der Türkei eingegeben sind. Unter diesen 
Umständen glauben die europäischen Großmächte gemeinsam der kaiserlichen 
ottomanischen Regierung erneut den Rat geben zu sollen, der Abtretung 
Adrianopels an die Balkanverbündeten zuzustimmen und den Großmächten 
die Sorge zu überlassen, über das Schicksal der Inseln des Aegäischen 
Meeres zu befinden. Gegenüber diesen Umständen würden die genannten 
Mächte es sich angelegen sein lassen, den Schutz der muselmanischen Inter- 
essen in Adrianopel und die Achtung vor den in dieser Stadt befindlichen 
Moscheen, religiösen Gebäuden und Grundstücken zu sichern. Ebenso würden 
sie dahin wirken, daß bei der Lösung der Frage der Inseln des Archipels 
jede Drohung für die Sicherheit der Türkei ausgeschlossen ist.“ 
19. Januar. (Konstantinopel.) Der russische Botschafter 
v. Giers wiederholt die Erklärung, daß Rußland im Falle der 
Wiederaufnahme des Krieges seine Neutralität nicht mehr bewahren 
könne. 
21. Januar. Die Note der Großmächte vom 17. Januar wird 
von der Regierung gutgeheißen. 4⅜„ 
22. Jannar. Friedensbeschluß des „Rates der Altesten“ als 
Nationalversammlung. 
Der Diwan wurde durch Kiamil eröffnet. Siebzig Mitglieder waren 
anwesend. Bemerkt wurde das Fehlen des früheren Großwesirs Hakki 
Paschas und Mahmud Schefket Paschas, welche ihr Fernbleiben brieflich 
entschuldigen. Die kaiserlichen Prinzen nahmen an der Sitzung nicht teil. 
Nach kurzer Diskussion wird mit allen gegen 1 Stimme der Ansicht Aus- 
druck gegeben, daß die Hohe Pforte Frieden schließen möge. 
22. Januar. (Konstantinopel.) Die jungtürkischen Führer 
beschlossen, daß, falls die von der Nationalversammlung abzugebenden 
Erklärungen unzureichend seien, der Senator der jungtürkischen Partei 
vorschlagen solle, daß die Regierung die Nationalversammlung noch 
einmal einberufe und alle Offiziere bis zum Brigadegeneral, alle 
Würdenträger und früheren Minister zuziehe, um sie den Beschluß 
über Frieden oder Krieg fassen zu lassen. 
23. Januar. (Konstantinopel.) Enver Beys fünfstündige 
Revolution. 
Gegen ½4 Uhr versammelten sich etwa 1500 Personen auf dem 
Platze vor der Moschee des Sultans Bajazid. Mit roten Fähnchen bewegte 
sich der Zug, bald lawinenhaft anwachsend, zur Hohen Pforte. Hier riefen
	        
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