Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

648 Hulserien. (Juni 19.) 
wohl die serbische Regierung ist, die, indem sie sich diesem Schiedsspruch 
entzieht und feindliche Kundgebungen gegen Bulgarien häuft, fortfährt, die 
Gefahren eines brudermörderischen Kampfes heraufzubeschwören. Diesen 
Kampf würden ich und meine Regierung mehr beklagen als irgendein 
anderer. Wir wünschen aufrichtig, ihn zu vermeiden, aber wir können nicht 
den einmütigen Gefühlen der Erbitterung entgegentreten, die bei meinem 
ganzen Volke am Tage nach unerhörten Anstrengungen und ruhmreichen 
Siegen die Versuche unserer Verbündeten hervorrufen, die ihm dem Rechte 
und dem beschworenen Glauben zum Hohn die heiligsten Früchte dieser 
Anstrengungen und dieser Siege entreißen wollen. Bulgarien hat nicht nur 
Rechte auf Mazedonien, es hat auch unausweichliche Pflichten gegen die 
Bevölkerung, die stets bulgarisch gewesen ist und es um jeden Preis bleiben 
will. Und Eure Majestät werden sich zu erinnern geruhen, daß die Pflichten 
durch Jahre hindurch von Rußland selbst anerkannt worden sind.“ 
19. Juni. Antwort auf die serbische Note, in der die Revision 
des Bündnisvertrages verlangt wird. 
Die Note erwähnt die die Bündnisbedingungen enthaltenden Doku- 
mente, nämlich den Vertrag, das geheime Zusatzabkommen, die Militär- 
konvention, die vier Vereinbarungen und eine Erklärung der beiden General- 
stäbe, die ein unteilbares und unauflösliches Ganzes bilden. Die VBerein- 
barungen zwischen den Generalstäben haben ihren Ursprung in der Militär- 
konvention, die besagt, daß die Verteilung und Konzentrierung der mobili- 
sierten Streitkräfte und die Operationen nach vorherigem Einverständnis 
der Chefs der Generalstäbe erfolgen werden. Diese Vereinbarungen haben 
also unzweifelhaft verbindlichen Charakter, der von beiden Regierungen 
anerkannt worden ist. Nach den erwähnten Vereinbarungen war Bulgarien 
nicht verpflichtet, auf den mazedonischen Kriegsschauplatz 100000 Streiter 
zu senden, sondern bloß eine Division, was es auch getan hat. Selbst diese 
Division konnte nach Zurückdrängung der Türken über die Linie Uesküb— 
Köprülü—Istip hinaus auf den thrazischen Kriegsschauplatz zurückberufen 
werden. Serbien war verpflichtet, auf den thrazischen Kriegsschauplatz die 
notwendigen Truppen zu entsenden, sobald die Notwendigkeit, sämtliche ver- 
einbarten Truppen auf dem mazedonischen Kriegsschauplatz zurückbehalten, 
aufgehört haben würde. Serbien und Bulgarien führten nur ihre Ver- 
pflichtungen strikte aus, nicht mehr und nicht weniger. Außerdem ver- 
pflichtete die Militärkonvention die beiden Länder, eine auf 150000 Mann 
serbischerseits und 200000 Mann burlgarischerseits festgesetzte Mindestzahl 
von Truppen ins Treffen zu schicken, setzte aber nicht die Höchstzahl fest. 
Bulgarien hat seinerseits eine fast dreimal höhere Truppenzahl mobilisiert 
als die vorgesehene Mindestzahl. Es steht außer Zweifel, daß Bulgarien, 
indem es das Gros der türkischen Streitkräfte auf den Schlachtfeldern von 
Lüle Burgas und Bunar-Hissar zerschmetterte — von den anderen Kämpfen 
und der Festhaltung der asiatischen Reserven bei Tschataldscha und Bulair 
zu schweigen —, mehr als seine Vertragspflicht getan hat. Bezüglich der 
Kompensationsforderungen, die mit der Tatsache begründet werden, daß 
Bulgarien mehr Gebiet im Osten erlangt, während Serbien solches im 
Westen verliert, konstatiert die Note, daß diese Forderungen dem geheimen 
Zusatzabkommen zuwiderliefen, das die äußersten Grenzen der beiderseitigen 
Erwerbungen im Osten von der Struma und vom Rhodope und im Westen 
und Norden von Schardagh nicht bestimme. Die bulgarische Regierung, 
von den Gefühlen der Solidarität geleitet, hat die serbische Regierung recht- 
zeitig mehr als einmal verständigt, daß Bulgarien bereit sei, Serbien zu 
unterstützen. Der Entschluß Serbiens, auf die Adriaküste zu verzichten, 
 
	        
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