Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

668 VLerbien. (Juli 8.— August 11.) 
angenommen und damit die Ministerkrisis beendigt. Darauf erfolgt 
Vertagung auf unbestimmte Zeit. 
8. Juli. Die Kriegsproklamation. 
„Meine teuren Serben! Das ist eingetroffen, was ich niemals er- 
wartet habe. Die Bulgaren, unsere Brüder durch Blutsverwandtschaft und 
Religion und unsere Verbündeten, haben in unmenschlicher Weise die Ver- 
wundeten massakriert, haben mit Schwerthieben den Vertrag durchhauen 
und die Freundschaft und Brüderlichkeit zerstört. Schon seit acht Tagen 
kämpft man auf dem Ovtsche Polje, in Mazedonien und an den allen 
Grenzen unseres Vaterlandes in blutigen Schlachten und vergießt Bruder- 
blut. Die Herzen unserer Helden krampfen sich zusammen und die vor 
Adrianopel gefallenen Serben zittern in ihren Gräbern. Die Bulgaren 
haben die brüderliche serbische Hilfe vergessen; sie haben das vergossene 
Blut vergessen und die Helden, die auf den Schlachtfeldern Thraziens ge- 
fallen sind. Sie haben der slawischen, ja der ganzen zivilisierten Welt ein 
verachtenswertes Beispiel der Undankbarkeit und Habgier gegeben. Die un- 
brüderliche Handlungsweise der Bulgaren hat mich schmerzlich berührt und 
hat meine aufrichtigen slawischen Gefühle tief verwundet. Die Verantwor- 
tung für die Sünden gegen das Slawentum und die Menschlichkeit möge 
auf denjenigen zurückfallen, der sie begangen hat. Und warum das alles? 
Weil man die Streitigkeiten bei der Teilung nicht in brüderlicher Art und 
auf friedlichem Wege lösen will, sondern weil man uns unsere Eroberungen, 
die Wiege unserer Vorväter, das Land der Nemanjitsch, das Ihr mit 
Eurem roten Blut getränkt, befreit und für Serbien wieder erobert habt, 
entreißen will. Die Gräber der toten Helden dieses glorreichen Krieges 
rufen Euch zu und beschwören Euch, sie zu rächen. Verteidigen wir uns 
und unseren heldenhaften griechischen Verbündeten in dieser Gefahr. Die 
mutigen und edlen montenegrinischen Falken kämpfen an unserer Seite, um 
die serbischen Lande zu verteidigen. Die Lebensinteressen des Vaterlandes 
haben mich, wenn auch schweren Herzens, gezwungen, mich an meine 
heldenhafte Armee zu wenden, damit sie mit ihrer Entsagung und mit 
ihrem Heroismus sich der glorreichen Helden der Siege von Kumanowo, 
Prilep, Monastir und Adrianopel würdig erweise. Gott schütze meine teuren 
Soldaten in diesem traurigen Kriege, der mir aufgezwungen worden ist!“ 
26. Juli. Zu Friedensdelegierten für Bukarest wurden er- 
nannt: Ministerpräsident Paschitsch, der frühere serbische Gesandte in 
Sofia, Spalaikowitsch, und der serbische Gesandte in Bukarest, 
Michailo Ristitsch, als militärische Delegierte und Sachverständige 
die Generalstabsobersten Smiljanitsch und Kalafatowitsch sowie zwei 
Ministerialsekretäre. 
30. Juli. Die serbischen Truppen, die vor Widin selbst ein- 
getroffen sind, haben die Einschließungslinien geschlossen und das 
Dorf Tapartchij, drei Kilometer von der Stadt entfernt, besetzt. 
11. August. Aus dem Tagesbefehl des Königs: 
„Helden! Gestern ist zu Bukarest der Frieden geschlossen worden. 
Durch diesen Frieden ist auch unsere neue Grenze gegen Bulgarien fest- 
gesetzt worden. Diese Grenze schließt außer dem im Kriege gegen die Türkei 
eroberten Gebiete auch den wertvollen Teil Mazedoniens ein, in dem sich 
die wichtigen Orte Egri Palanka, Kratovo, Kotschana, Istip, Radowischta.
	        
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