58 Das Denisqe Reith und seine einjelnen Glieder. (Februar 7.
verfahren worden. Man hat mir an anderer Stelle vorgeworfen, ich hätte
durch mein Verhalten in der Budgetkommission eine Verbeugung vor
der Sozialdemokratie und ihren Forderungen gemacht. Man hat die
Sache anderwärts verkuppelt mit der Stellung, die ich eingenommen habe
gegenüber dem Antrag der Rechten bezüglich des Streikpostenstehens (sehr
richtig! I.) und man hat, weil man in diesem Verhalten geglaubt hat, bei
mir eine gewisse Schwäche und Unentschlossenheit feststellen zu können, flugs
auch diese Gelegenheit ergriffen und in völligem Widerspruch mit den tat-
sächlichen Verhältnissen behauptet, daß ich mich in der Wohnungsfrage vor
der Linken verbeugt hätte. Das habe ich nicht getan; und in diesem Falle
weiß ich mich, selbst nachdem die Herren von der Rechten ihre Resolution
vom vorigen Frühjahr, ihre damalige grundsätzliche Stellung zur Sache
preisgegeben haben, eins mit weiten Kreisen des deutschen Volks (Zu-
stimmung l.), die überhaupt ein Verständnis für sozialpolitische Forderungen
haben. Man hat mir an anderer Stelle aus meinem Verhalten den Vor-
wurf der Unentschlossenheit, der mangelnden Offensive, beinahe der Feig-
heit gemacht. Der Herr Abgeordnete Oertel hat bei einer früheren Ge-
legenheit in diesem Jahre das schöne Wort geprägt: er hat mir mehr Mark,
mehr Mut, mehr Entschlossenheit gewünscht. Das klingt ja wunderschön,
beinahe forsch, und liest sich — das ist mir bei der Lektüre der „Deutschen
Tageszeitung“ aufgefallen — noch besser. (Heiterkeit.) Aber, meine Herren,
das sind doch nur Worte! Mut und Entschlossenheit und Mark für einen
Staatsmann dokumentieren sich doch im allgemeinen nicht darin, daß er
gegen seine Ueberzeugung die Rezepte anderer Leute ausführt, sondern
darin, daß er die Geschäfte, für deren Führung er verantwortlich ist, nach
seiner eigenen Ueberzeugung führt. (Lebhaftes Bravo l.) Und, meine Herren,
nach dieser eigenen Ueberzeugung werde ich nach wie vor die Geschäfte
führen, solange ich die Ehre habe, an dieser Stelle zu stehen (bravo! bei
den Nl. und der Fortschr. Vp.), auf die Gefahr hin, daß man mir in den
Kreisen derer, denen ich politisch mein ganzes Leben lang nahegestanden
habe, den schwersten Vorwurf macht, den man einem Manne machen kann:
nämlich den Mangel an Mut.
Abg. Dr. Oertel (K.): Der Herr Staatssekretär ist, indem er mich
persönlich unmittelbar anredete, auf die Rede zurückgekommen, die ich am
16. Januar gehalten habe. Er hat aus dieser Rede geschlossen, daß ich ihm
Mangel an Mut, Mark und Entschlossenheit vorgeworfen hätte. Das ist
ein kleiner Irrium; ich habe das nicht für die Vergangenheit, auch nicht
für die Gegenwart getan, sondern nur eine Befürchtung für die Zukunft
ausgesprochen. (Große Heiterkeit.) Ich habe nämlich wörtlich gesaat: Meine
politischen Freunde und ich haben diese Ausführungen deshalb besonders
bedauert, weil sie uns leider den unverwischbaren Eindruck machen, daß
der Herr Staatssekretär des Innern und der Herr Reichskanzler, den er
mit angeführt hat, in dem unvermeidlichen Kampfe gegen die Sozialdemo
kratie nicht das Mark, den Mut und die Entschlossenheit zeigen werden.
die dringend notwendig ist. (Ah! ah! bei den Sd.) Zu diesem Kampfe ge-
hört allerdings Mut und Entschiedenheit, die wir den Herren von der Re-
gierung lebhaft und herzlich wünschen. (Große Heiterkeit.) Daß jene Be-
fürchtung jetzt noch gehegt wird, und dieser Wunsch jetzt noch bei uns
empfunden wird, kann ich allerdings nicht bestreiten. (Siehe 8. Februar.)
7. Februar. (Elsaß-Lothringen.) Als Mittäter des ehe-
maligen Zahlmeisteraspiranten Wolter, der fälschlich die Straß-
burger Garnison alarmierte, wurde der Schriftsteller Jung ver-
haftet. (Siehe 5. Februar.)