Das Denisqe Reiq und seine einzelnen Glieder. Februar 7. 8.) 59
7. Februar. (Reichstag.) Zur auswärtigen Politik.
In der Budgetkommission äußert sich bei der Beratung des Marine-
etats Staatssekretär v. Jagow über die auswärtige Lage: „Eine der letzten
Erklärungen, die mein verstorbener Herr Amtsvorgänger — irre ich nicht,
überhaupt die letzte — im Plenum des Reichstags abgegeben hat, bezog
sich auf unsere Beziehungen zu England. Herr von Kiderlen hob
damals hervor, daß während der ganzen letzten Krisis unsere Beziehungen
zu England besonders vertrauensvolle gewesen seien. Er wies auf die
auten Dienste hin, die die offenen, von vollem Vertrauen getragenen Aus-
sprachen zwischen London und uns während aller Phasen dieser Krisis der
Verständigung aller Mächte geleistet haben, und sprach die Erwartung aus,
daß sie dies auch weiter tun würden. Es gereicht mir zur besonderen
Genngtuung, bei dem ersten Anlaß, der sich mir bietet, an dieser Stelle
das Wort zu ergreifen, um feststellen zu können, daß diese Erwartung sich voll
und ganz erfüllt hat. Der intime Gedankenaustausch, in dem wir an-
dauernd mit der englischen Regierung stehen, hat sehr wesentlich mit dazu
beigetragen, Schwierigkeiten mancher Art zu beheben, die in den letzten
Monaten entstanden waren. Wir haben jetzt gesehen, daß wir nicht nur
Berührungspunkte sentimentaler Art mit England haben, sondern daß auch
galeiche Interessen vorhanden sind. Ein Prophet bin ich nicht, aber ich
gede mich der Hoffnung hin, daß wir auf dem Boden gemeinsamer Inter-
essen, dem fruchtbarsten in der Politik, auch weiter mit England arbeiten
und vielleicht ernten können. Ich möchte Sie aber darauf aufmerksam
machen, meine Herren, daß es sich hier um eine zarte Pflanze handelt,
die man nicht durch zu frühes Berühren und Besprechen am Erblühen be-
bindern darf.“
Staatssekretär v. Tirpitz geht dann auf die Ausführungen des eng-
lischen Marineministers vom März vorigen Jahres näher ein, daß ein Ver-
balinis von 10: 16 zwischen der deutschen und der englischen Schlachtflotte
für die nächsten Jahre akzeptabel sei, und vertritt seinerseits den Stand-
dunkt, daß auch er als Leiter seines Ressorts hiergegen keinerlei Bedenken
haben werde. — Die „Münch. Neuest. Nachrichten“ bemerken hierzu: „Das
bedeutet natürlich nicht, daß jetzt auf einmal eine Aenderung des früheren
Standpunktes eingetreten sei und an ein formelles Abrüstungsabkommen
gedacht werde, wohl aber weist es ganz entschieden auf ein Nachlassen der
deutsch-englischen Spannung hin. Eine Annäherung Deutschlands und
Englands ist nur möglich auf der Grundlage gegenseitiger Achtung, gegen-
seitiger Gleichberechtigung, gemeinsamer Interessenerkenntnis und gemein-
samer Znteressenvertretung.“
8. Februar. (Blankenburg a. H.) Der frühere braun-
schweigische Gesandte Frhr. von Cramm-Burgedorf f. 76 Jahre alt.
8. Februar. (Sachsen -Altenburg.) Der neu gewählte Land-
tag setzt sich wie folgt zusammen: 14 Bund der Landwirte, 7 Sozial-
demokraten, 3 Volkspartei, 3 Reichspartei, 2 Nationalliberale, außer-
dem 1 Rechtsliberaler, 1 Freikonservativer und 1 Parteiloser.
8. Febrnar. (Reichstag.) Fortsetzung der zweiten Beratung
des Reichshaushaltsetats. Reichs-Justizverwaltung.
Vor der Tagesordnung erklärt Dr. Oertel (K.): Zu meinen gestrigen
Ausführungen hier im Reichstage habe ich folgendes zu erklären: Die Aus-
führungen, die ich in der Sitzung vom 16. Januar über die Stellung des