Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

748 Anhaug: Allgeneines. (August bis November.) 
gewisse Vorherrschaft im Stillen Ozean kaum abstreiten konnte, so hat diese 
jetzt einen empfindlichen Stoß erlitten. Auch Englands militärische Lage 
ist nicht gefördert worden. Aber noch halten die Briten einerseits längs 
des Suezweges und in Afrika und Ostasien, anderseits in Kanada und den 
westindischen Gewässern so starke strategische Stellungen, daß von einer Er- 
schütterung ihrer Seemacht keine Rede sein kann. Den übrigen Seestaaten 
wird der Panamakanal militärisch nicht viel geben und nicht viel nehmen. 
Er wird und soll vor allem ein politisches, ein militärisches Werkzeug sein 
zur Ausbreitung der Macht und Herrschaft der Vereinigten Staaten von 
Amerika.“ Die wirtschaftliche Bedeutung des neuen Kanals findet eine ein- 
gehende Prüfung an der Hand von Ausführungen, die Professor Emorn 
R. Johnson, „Spezialkommissar des Panamaverkehr und der Kanalgebühren“, 
im vorigen Jahre veröffentlicht hat. Es wird aus ihnen gefolgert, um nur 
eines hervorzuheben, daß der deutsche Handelsverkehr mit den einzelnen 
westamerikanischen Ländern neuen Antrieb empfangen und ein rascheres 
Wachstum als bisher zu verzeichnen haben werde. Die Darlegungen des 
Artikels schließen mit den Worten: „Der Panamakanal ist gar kein Kon- 
kurrent des Suezkanals, da er wesentlich anderen Wirtschaftsgebieten der 
Erde zugehört, und im Grunde genommen kann er nur einige wenige an 
Amerikas Küsten entlang laufende Weltverkehrsstraßen ablenken und um- 
lenken; wohl aber wird er neue ins Leben rufen und dem Weltverkehr er- 
weiterte Betätigungsgebiete schaffen. Dieser neue Weltverkehr kommt in- 
sonderheit den Vereinigten Staaten zugute. Deutschland und England 
müssen scharf Obacht geben, um von den neuen Weltverkehrsstraßen nicht 
abgedrängt zu werden.“ 
August — November. Enthüllungen aus dem Nachlaß des 
Grafen Hayashi. 
Aus Memeoiren, die der frühere japanische Botschafter in London 
und Minister des Auswärtigen Graf Hayashi nach seinem Rücktritt vom Amt 
im Jahre 1908 verfaßt hat, wurden bald nach seinem Tode einige Bruch- 
stücke in London und in Japan veröffentlicht, die auf das Bündnis Japans 
mit England vom 30. Januar 1902, die Abkommen mit Rußland und 
Frankreich vom Jahre 1907 und die fehlgeschlagenen Verhandlungen des 
Vicomte Aoki in Washington überraschende Streiflichter werfen. Die 
Fortsetzung dieser Publikation wurde durch die japanische Regierung, die 
das Manuskript ankaufte und der japanischen Zeitung „Jiji Shimpo“ die 
Veröffentlichung der Tagebücher des Grafen Hayashi verbot, verhindert. 
Das Ueberraschendste war die durch das Tagebuch gesicherte Feststellung, 
daß die erste Anregung zu einem Bündnis mit dem Ziele, Rußland zur 
Evakuation der Mandschurei zu bewegen, im Sommer des Jahres 1901 
von dem damaligen deutschen Geschäftsträger in London, Freiherrn v. Eckar#t- 
stein, ausging. Er glaubte, das Abkommen über die Integrität Chinas, 
das Deutschland und England im Oktober 1900 geschlossen und dem unter 
anderen Mächten auch Japan beigetreten war, dadurch für die Mandschurei 
wirksam machen zu können, daß Deutschland, England und Japan sich zu 
einem gemeinsamen Schritt in Petersburg entschlössen und ihm eventuell 
durch ein Bündnis Nachdruck verliehen. Hayashi gewann den Eindruck, 
daß bereits zwischen Berlin und London Verhandlungen gepflogen wurden, 
von denen seine Regierung nichts wußte, und daß von Deutschland ein 
Fühler ausgestreckt wurde, ob Japan, dem die russische Politik seine Stel- 
lung in Korea zu entreißen suchte, für einen energischen Schritt zum Schutze 
der chinesischen Nordgrenze zu haben wäre. In Abwesenheit des Premier- 
ministers Marquis Salisbury besprach der Auswärtige Minister Lord
	        
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