Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Anhang: Allzemeines. (August bis November.) 749 
Lansdowne die Möglichkeit eines solchen Bündnisses mit dem japanischen 
Gesandten, verschob aber die Entscheidung bis zur Heimkehr des leitenden 
Staatsmannes aus dem Ausland. Dann nahmen die Besprechungen ihren 
Fortgang, jedoch so, daß das Auswärtige Amt einzeln mit dem japanischen 
Gesandten und dem deutschen Geschäftsträger verhandelte, ohne Hayashi 
über den Gedankenaustausch mit der deutschen Reichsregierung zu ver- 
ständigen. Nur durch den mitteilsamen deutschen Geschäftsträger erfuhr 
Hayashi, daß die Angelegenheit im diplomatischen Verkehr zwischen England 
und Deutschland ihren Fortgang nahm, während sie ihm gegenüber dila- 
torisch behandelt wurde. Er selbst war für einen möglichst baldigen Ab- 
schluß mit England allein, konnte aber von seiner Regierung keine Er- 
mächtigung zu bindenden Zusagen erlangen. Das lag an dem in Tokio von 
Marquis Ito vertretenen Wunsche, erst noch zu versuchen, ob man nicht 
durch direkte Verhandlungen mit Rußland einen Ausgleich finden könnte, 
der die Mandschurei den Russen, Korea aber den Japanern als dauernden 
Erwerb sicherte. Nach Hayashis Vermutung hatte auch der deutsche Geschäfts- 
träger eine Ahnung von diesem Plane der japanischen Regierung. Das 
Blatt wandte sich infolge der Besprechungen, die der auf Urlaub ge- 
kommene britische Gesandte in Tokio Sir Claude Macdonald mit König 
Eduard VII. in Balmoral hatte. Dieser Diplomat besuchte Hayashi und 
legte ihm dar, daß ein Bündnis Englands mit Japan wohl im Bereich 
der Möglichkeit liege und daß die Furcht vor einer direkten Verständigung 
zwischen Tokio und St. Petersburg ein Antrieb für die englische Regierung 
sein müsse, schnell zum Abschluß zu kommen. Auch er berief sich auf die 
deutsche Botschaft in London als Quelle seiner Information, daß ein 
japanisch-russischer Ausgleich im Werke sei. Der japanische Diplomat be- 
nutzte diese Eröffnung, um in Tokio zu veranlassen, durch den Schein 
direkter Verhandlungen mit Deutschland das Zustandekommen des englisch- 
japanischen Bündnisses zu beschleunigen. Von jetzt ab war von einer Be- 
teiligung Deutschlands nicht mehr die Rede. Am 31. Juli ersuchte Lord 
Lansdowne den japanischen Gesandten, „seine Regierung über das Ver- 
hältnis internationaler Interessen in der Mandschurei zu befragen und 
festzustellen, was für einen Vertrag Japan mit uns zu machen wünscht". 
Er erhielt am 8. August die telegraphische Antwort, daß er sich bemühen 
solle, Einzelheiten über die politische Haltung der englischen Regierung zu 
erfahren. Aber die Vollmacht abzuschließen erhielt er noch nicht. Diese 
kam erst am 8. Oktober, siebzehn Tage nachdem Komura an die Spitze des 
Auswärtigen Amts getreten war. Am 16. Oktober kam in einem Gespräch 
mit Lord Lansdowne eine Verständigung über die Vorrede eines Vertrags- 
entwurfs zustande. Hayashi sormulierte seinen Wunsch: „Wir möchten 
einen Vertrag haben, demzufolge, falls ein anderes Land mit einem der 
Verbündeten in Krieg verwickelt ist und ein drittes Land dem feindlichen 
Lande zu Hilfe käme, der nicht kriegführende Verbündete seinem an- 
gegriffenen Bundesgenossen zu Hilfe eilen soll.“ Lord Lansdowne wünschte 
die Vertragsbasis noch zu verbreitern, „so daß außer diesen Bedingungen 
Japan und Großbritannien immer die engste Freundschaft bewahren und 
in betreff der Angelegenheiten des fernen Ostens ihre Ansichten rückhaltlos 
austauschen und ihre Handlungsweise durchaus im Einklang halten sollen“. 
Auf die Frage Hayashis, ob Deutschland in das Abkommen eingeschlossen 
sein sollte, erwiderte Lord Lansdowne: „Erst wollen wir mit euch verhandeln; 
später im Laufe der Verhandlungen könnten wir Deutschland einladen, in 
das Bündnis einzutreten.“ Am 6. November überreichte der englische Staats- 
mann dem japanischen Diplomaten den ersten Entwurf des Bündnis- 
vertrages. Darin waren die Verpflichtungen Japans in bezug auf Indien
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.