Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Inbens: Alsemeines. (November 30.) 759 
Krieges gegen die Türkei steht der Oberbefehl im Wardargebiet Serbien 
zu, wenn das serbische Heer dort stärker als das bulgarische ist, ist dagegen 
das bulgarische Heer dort stärker, so fällt dem bulgarischen Heerführer der 
Oberbefehl über die beiden Heere zu. 
Militärtechnische Abmachungen. Artikel VIII bestimmt, daß bei ge- 
meinsamen Operationen alle Befehle und Vorschriften sowohl in serbischer, 
als auch in bulgarischer Sprache abgefaßt zu sein haben. Artikel IX ent- 
hält Bestimmungen über die Verpflegung, die Quartiere, den ärztlichen 
Dienst, die Beförderung der Verwundeten und über die Beerdigung der 
Toten, den Transport des Kriegsmaterials usw. In jedem Staatsgebiet 
haben die Behörden den Truppen des Bundesgenossen alle Erleichterungen 
zu gewähren. Jeder Teil bezahlt im Gebiet des Bundesgenossen nach 
Möglichkeit alle seine Bedarfsartikel bar und nur ausnahmsweise in An- 
weisungen. Die Kosten des Eisenbahntransports für sämtliche Truppen 
fallen dem Staate zur Last, auf dessen Gebiet der Transport stattfindet. 
Artikel X: Die Kriegstrophäen gehören dem Heere, das sie erobert. Hat 
die Eroberung in einem gemeinsamen Kampf auf demselben Schlachtfelde 
stattgefunden, so teilen beide Heere sich in sie im Verhältnis zu ihrer 
Stärke. Artikel XI: Während des Krieges hat jeder der Bundesgenossen 
einen Vertreter im Generalstab des Höchstbefehlenden oder der Befehls- 
habenden der Heere. Dieser Vertreter unterhält die Verbindung zwischen 
beiden Heeren. Artikel XII: Unvorhergesehene Fälle oder Streitigkeiten 
werden gemeinsam von beiden Höchstkommandierenden geordnet. Artikel XIII: 
Unmittelbar nach Abschluß der Abmachung einigen die Vorstände der beiden 
Generalstäbe sich über die Verteilung der mobilgemachten Truppen, über 
ihre Gruppierung in dem zu besetzenden Gelände, über die auszubessernden 
oder neu zu bauenden Straßen im Hinblick auf die rasche Zusammen- 
ziehung an der Grenze und auf spätere Operationen. 
Die Dauer der Vereinbarungen. Artikel XIV: Die Abmachung tritt 
am Tage der Unterzeichnung in Kraft und dauert so lange wie der 
Freundschafts- und Bündnisvertrag, dem sie angehängt ist. 
30. November. (Sofia.) Der Publizist Weltschew, Abgeord- 
neter der Danewpartei in der letzten Sobranje, veröffentlicht in 
einer Broschüre unter dem Titel: „Die volle Wahrheit über den 
Niederbruch Bulgariens“ Enthüllungen über die ursprüngliche 
Stellungnahme Rußlands zu den Kriegsplänen der Balkanstaaten. 
Als Danew bei seiner Entsendung nach Rußland im April 1912 
dem Kaiser Nikolaus in Livadia den Text des Bündnisvertrages unter- 
breitete, erklärte der Zar, ein Bündnis der Balkanflawen zur Verteidigung 
ihrer Unabhängigkeit werde die Sympathien Rußlands haben; es könnte 
aber nicht auf dessen Unterstützung rechnen, wenn es zu Angriffszwecken 
geschlossen worden sei. Ssasonow selbst riet vom Kriege noch an dessen 
Vorabend in der entschiedensten Weise ab. Der bulgarische Gesandte 
Madscharow berichtete am 23. September 1912 Geschow über eine Unter- 
redung, die er in London mit Ssasonow gehabt hatte. Dieser letztere riet vom 
Kriege mit der Türkei ab, weil er fürchtete, dieser könnte Rußland in einen 
Konflikt entweder mit dem Dreibund oder mit der Türkei bringen. „In eine 
solche Gefahr,“ so erklärte Ssasonow, „wollen wir uns nicht bringen. Wir 
haben noch nicht den einen Krieg liquidiert und Ihr wollt uns in einen 
zweiten drängen?" Nein, wir werden Euch Eurem Schicksal überlassen 
und Eure Regierungsmänner sollen für die katastrophalen Folgen die Ver- 
antwortung tragen! Unser Gedanke eines Einvernehmens der Balkanvölker
	        
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