Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Nebersicht über die politische Entwichlung des Jahres 1913. 771 
Auf der Friedenskonferenz in Bukarest vom 30. Juli bis 
8. August wurden den Bulgaren die Bedingungen auferlegt, die 
endlich der Kriegführung auf der Balkanhalbinsel ein Ende machten. 
Gleichzeitig erledigte die Botschafterreunion in London die einzige 
ihr verbleibende Aufgabe, nämlich die Feststellung des inter- 
nationalen Status Albaniens (Wortlaut des Bukarester 
Friedensvertrages S. 659 f.). Bulgarien wurde gezwungen, nicht nur 
von den ihm im Londoner Frieden zugestandenen Erwerbungen auf 
Kosten der Türkei an seine früheren Verbündeten Griechenland und 
Serbien mehr herauszugeben, als sie vor Ausbruch des zweiten 
Balkankrieges verlangt hatten, sondern auch von dem Besitz, den 
es seit 1878 an der unteren Donau behauptet hatte, 7525 Quadrat- 
kilometer besten Kulturbodens an Rumänien abzutreten. Aber auch 
der Türkei gegenüber konnte es trotz der Unterstützung der Bot- 
schafterreunion die Grenze des Londoner Friedens nicht aufrecht 
erhalten, sondern mußte über 7000 Quadratkilometer mit 300000 Ein- 
wohnern durch den Frieden von Konstantinopel (29. September) 
wieder herausgeben. Das griechisch-türkische Friedensprotokoll vom 
11. November regelte auch die Fragen der Territorialhoheit und der 
privaten Besitzverhältnisse in den durch die Friedensverträge von 
London und Bukarest an Griechenland abgetretenen Gebietsteilen. 
Bis auf die Grenzen Albaniens war damit die Landkarte der Balkan- 
halbinsel erledigt. Denn der Versuch Osterreichs, die Botschafter- 
reunion zu einer Revision des Friedens von Bukarest zu vermögen, 
war erfolglos, da keine andere Großmacht dazu die Hand bieten 
wollte. In Bulgarien bereitete Rußlands Weigerung die schwerste 
Enttäuschung, während in Rumänien der österreichische Versuch, den 
Bulgaren die Wiedergewinnung der ihnen auferlegten Gebiets- 
abtretungen durch Einwirkung der Großmächte wenigstens zum Teil 
zu ermöglichen, Argwohn und eine feindselige Stimmung der öffent- 
lichen Meinung gegen Österreich zur Folge hatte. 
Die Festsetzung der Grenzen von Albanien fiel einer inter- 
nationalen Kommission zu. Diese hatte besonders die Ab- 
sichten Serbiens und Montenegros zu bekämpfen, die von dem alt- 
serbischen Gebiet im nördlichen Albanien kraft Eroberungsrechts 
etwas für sich gewinnen wollten. Für Serbien kam es dabei auf 
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