Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Nebersicht über die pvolitische Eutwichlung des Jahres 1913. 773 
(S. 500) und erntete dafür allgemeinen Beifall. Auch der Reichs- 
kanzler äußerte am 7. April seine Hoffnung, „daß das Vertrauen 
zurückzukehren beginnt, das lange Zeit zum Schaden beider Länder 
und der Welt gefehlt hat“. Auch bei der Beratung der deutschen 
Wehrvorlagen wurde von den Rednern verschiedener Parteien die 
Befriedigung über die Besserung der Beziehungen Deutschlands zu 
England infolge der gemeinsamen Arbeit zur Regelung der Balkan- 
fragen betont. In beiden Ländern glaubte man, daß auch in wich- 
tigen politischen Verhandlungen eine Verständigung zwischen Berlin 
und London leichter geworden sei als früher. Diese Erwartungen 
knüpften nicht nur an die Rede Sir Edward Greys vom 29. Mai 
über Vereinbarungen betreffs der Bagdadbahn an, sondern ver- 
dichteten sich im Herbst des Jahres auch zu sehr zuversichtlich auf- 
tretenden Mitteilungen über eine bevorstehende deutsch-englische 
Kolonialverständigung in Afrika (S. 336 f.), über ein neues Ab- 
kommen betreffs der portugiesischen Besitzungen (S. 348) und über 
eine allgemeine Revidierung der Grenzen zwischen deutschen und 
britischen Besitzungen in Afrika (S. 524). Den Erörterungen über 
Flottenfragen fehlte auf englischer Seite die früher übliche Be- 
argwöhnung des deutschen Programms; Churchill glaubte sogar, 
durch den sonderbaren Vorschlag eines allgemeinen Feierjahres im 
Schiffsbau dem deutschen Volke eine Erleichterung des Marineetats 
anbieten zu können. Aber praktische Bedeutung hat diese scheinbare 
Annäherung der beiden stammverwandten Nationen nicht gewonnen. 
Ihr stand entgegen, daß sich die im Jahre 1911 gelegentlich der 
Marokkokrisis vom Hauptmann Faber kundgegebene Enthüllung über 
Englands Vorbereitungen, um eine bedeutende Macht zur Unter- 
stützung Frankreichs in einem Kriege gegen Deutschland auf den 
Kontinent zu werfen, immer mehr verdichtete, wenn auch in der 
Offentlichkeit wenig davon gesprochen wurde. Der „Gil blas“ brachte 
am 25. Februar eine zunächst wenig beachtete Notiz über An- 
häufungen von großen Massen englischen Kriegsmaterials in der 
Festung Maubeuge an der franzöfisch-belgischen Grenze, und der 
Abgeordnete Hugh Cecil erklärte am 12. März im englischen Unter- 
hause, daß die auswärtige Politik Englands „wenn nicht aggressiv, 
so doch abenteuerlich sei“, indem er sich auf bestimmte umlaufende
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.