Nebericht über die politische Entwichlung des Jahres 1913. 791
geboten hatten, sich durch heimliche Auswanderung ihrer Pflicht zu
entziehen (S. 466). Die Kosten der Heeresvermehrung beliefen sich
nach dem Voranschlage für Heer und Landwehr an einmaligen Aus-
gaben auf 184 ½ Millionen Kronen und an fortlaufenden Aus-
gaben auf etwas über 69½ Millionen Kronen. Ein schwerer Schlag
für die Armee war das ruchlose Verbrechen des Obersten Redl in
Prag, der seit dem März 1912 die ihm aus besonderem Vertrauen
zugänglichen Instruktionen über die Mobilifierung der Wehrmacht
an russische Agenten verkauft hatte und sich durch Selbstmord der
gesetzlichen Strafe entzog (S. 458, 459 f.).
Auf das politische Leben in beiden Reichshälften warfen
Zänkereien und Skandalprozesse ein schlechtes Licht. In dem Be-
leidigungsprozeß des ungarischen Ministerpräfidenten Lukacs gegen
den oppositionellen Abgeordneten Zoltan Desy erkannte das Gericht
auf Freisprechung, weil es für erwiesen ansah, daß der Minister-
präsident beim Abschluß von Verträgen mit der Ungarischen Bank
sich einen Betrag von über 3 Millionen Kronen hatte zahlen lassen,
um ihn für parteipolitische Zwecke zu gebrauchen. Der Minister-
präsident trat deshalb zurück und Graf Tisza bildete am 5. Juni
ein neues Ministerium. Der schärfere Ton, der damit in die parla-
mentarischen Kämpfe Ungarns kam, führte zu mehreren Zweikämpfen
des neuen Ministerpräsidenten und zur Bildung einer neuen „Landes-
verfassungspartei" unter Leitung des Grafen Julius Andrassy. In
Cisleithanien gab der galizische Landsmannminister v. Dlugosz in
einer öffentlichen Versammlung der polnischen Volkspartei bekannt,
daß er mehrere Abgeordnete des Polenklubs für ihre Abstimmungen
bezahlt habe. Er mußte deshalb aus dem Ministerium Stürgkh
austreten. Auch Attentate und andere Regelwidrigkeiten ließen er-
kennen, daß das innerpolitische Leben der Doppelmonarchie Krank.-
heitskeime barg, die den feindselig gefinnten Nachbarländern natür-
lich nicht verborgen blieben.
Unter diesen Umständen war die ruhige Entwicklung der ein-
zelnen Länder schwer gehemmt.
In Böhmen machten die Versuche eines Ausgleichs zwischen
den Deutschen und den Tschechen keine Fortschritte. Die Aufdeckung
panslawistischer Umtriebe (S. 451) und die Straßenkundgebungen