Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

796 Mebersicht über die politische Eutwichlung des Jahres 1913. 
mitbeteiligt wurde; es sollte sich, während die englischen Interessen 
„Leschützt“ wurden, damit zufrieden geben, „daß seine Interessen 
nicht verletzt sind“ (S. 508 f.). Bei der in England sehr wort- 
reichen Erörterung in der Presse über die Besserung der deutsch- 
englischen Beziehungen hatte die der Regierung nahestehende „West- 
minster Gazette“ betont, daß die auswärtige Lage die Flottenfrage 
beherrschen müsse und daß es besser für England sei, wenn Deutsch- 
land seine Interessen und seine Macht, statt sie in einem einzigen 
Meere gegen das ihm den Ausgang versperrende England zusammen- 
zuhalten, gleichmäßig über die Welt verteilt, wie es andererfseits 
für Deutschland besser sei, wenn England eine Seemacht mit kleiner 
Armee und mit freier Hand in der europäischen Politik bliebe, als 
wenn es durch die deutschen Seerüstungen veranlaßt würde, eine 
Kontinentalmacht mit einem starken Heere und festländischen Bünd- 
nissen zu werden (S. 494 f.). Aber die Art, wie der Marineminister 
Churchill das zurückkehrende Vertrauen zu einer Anderung des Bau- 
programms der deutschen Flotte ausnutzen wollte, war nicht ge- 
eignet, in Deutschland Entgegenkommen zu finden. Er glaubte 
durch eine offene Darlegung der Flottenrivalität zwischen Deutsch- 
land und England im Unterhause seine schon im Vorjahre in 
politischen Versammlungen vorgebrachte Utopie eines Feierjahres im 
Flottenbau für die ganze Welt verwirklichen zu können, wenn Deutsch- 
land mit der Pause in der Ausführung seines gesetzlich festgelegten 
Bauprogramms den Anfang machte. Denn auch Frankreich und 
Rußland, Italien und Österreich würden nach seiner Meinung gern 
die Kosten für Vermehrung ihrer Kriegsflotte sparen, wenn Eng- 
land und Deutschland mit einer bindenden Abmachung vorangingen. 
Dabei hatte er aber die Naivität einzugestehen, daß in England 
schon während der letzten zwei Jahre die Lieferanten nicht mehr 
imstande gewesen waren, die Aufträge der Marine pünktlich aus- 
zuführen, und es als selbstverständlich anzunehmen, daß die von 
den malayischen Staaten und von Kanada für das „Reichsgeschwader“ 
im Bau befindlichen Schiffe nicht mitgerechnet würden. Es erklärt 
sich von selbst, daß die öffentliche Meinung Deutschlands diesen 
Vorschlag nicht ernst nahm, wie er sich auch auf englischer Seite 
nicht zu einer offiziellen Anregung verdichtete. Das ganze Gerede
	        
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