Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Mebersicht ũber die politishe Entwichlung des Jahres 1913. 797 
war definitiv begraben, als Großadmiral v. Tirpitz am 22. Oktober 
dem Korrespondenten des „Daily Chronicle“ auseinandersetzte, daß 
der defensive Charakter des gesetzlich festgelegten deutschen Flotten- 
programms von den Plänen anderer Mächte unabhängig sei und 
aus technischen Gründen eine Einschränkung während seiner Aus- 
führung nicht vertrüge (S. 335 f.). Von einer Erörterung der Frage, 
ob die von Churchill bei seinen Reden in Dundee und Manchester 
am 9. und 18. Oktober zur Voraussetzung seiner erneuerten An- 
preisung des Feierjahres festgestellte Besserung der deutsch-englischen 
Beziehungen eine Brücke von zuverlässiger Festigkeit sei, nahm er 
wohlweislich Abstand. Wie es sich damit in Wirklichkeit verhielt, 
zeigte sich im Dezember, als der englische Botschafter in Konstanti- 
nopel den befremdlichen Schritt seiner russischen und franzöfischen 
Kollegen mitmachte, wegen der von der Hohen Pforte berufenen 
deutschen Militärmission vorstellig zu werden. Man legte zwar in 
England Wert darauf zu betonen, daß die Form dieses gemein- 
samen Schrittes durch England gemildert worden sei. Aber die 
Beteiligung Englands daran war um so auffallender, weil eine 
ganz analoge englische Marinemission bereits in der Türkei an der 
Arbeit war, ohne von deutscher Seite beargwöhnt zu werden. 
Durch russische und französische Indiskretionen war inzwischen deut- 
lich hervorgetreten, daß die Tripleentente ihre gegen Deutschland 
gerichtete Spitze nur noch verstärkt hatte. Für Deutschland lag 
also kein Grund vor, sich durch englische Friedensschalmeien zu einer 
Unterbrechung seiner auf die vorhandene Lage berechneten Rüstungen 
verleiten zu lassen. Die notwendigen Tatsachen deutschfreundlicher 
Abmachungen, die man von England erwarten mußte, um die 
Krisis von 1911 zu vergessen, blieben auch im Jahre 1913 voll- 
ständig aus. Die bedeutende Vermehrung des englischen Flotten- 
etats (S. 501) und der Stapellauf von vier erstklassigen Schlacht- 
schiffen innerhalb zweier Monate (S. 517, 522, 523) ist vielleicht 
die beste Erklärung dafür, daß Churchill nunmehr ein Feierjahr 
im Flottenbau herbeisehnte. 
Im Innern war das politische Leben Großbritanniens und 
Irlands im Jahre 1913 besonders reich an Störungen. Die Land- 
plage der Wahlweiberexzesse nahm, wie der Index beweist, einen
	        
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