800 Nebersicht über die politische Entwi#lung des Jahres 1913.
vorlage und in der Presse die Verstärkung der Kriegsrüstung in
den Vordergrund. Die Vermutung, daß Poincaré auf seiner russi-
schen Reise die Einführung der dreijährigen Dienstzeit zugesagt hatte,
um sofort nach Kriegsausbruch mit einer möglichst großen Zahl
mobil gemachter Truppen auf deutschem Boden die Offenfive be-
ginnen zu können und der russischen Mobilmachung einen Zeit-
gewinn zu verschaffen, schien sich zu bestätigen. Denn schon am
17. Februar konnte der „Temps“ die Wiedereinführung der drei-
jährigen Dienstzeit als einen wesentlichen Teil des Militärprogramms
der Regierung ankündigen. Daß drei Tage darauf Delcassé zum
Botschafter in Petersburg bestimmt wurde, bewies die Aktionslust
der neuen Regierung. Der am 6. März der Kammer vorgelegte
Gesetzentwurf über die dreijährige Dienstzeit rechnete mit einer Er-
höhung des Friedensstandes um 160000 Mann. Aber der alt-
bewährte Kabinettstürzer Clemenceau benutzte die Beratung der
Wahlreformvorlage im Senat, um seine Kunst auch an diesem
starken Ministerium zu erproben. Briands Versuch, den Minori-=
täten eine Vertretung zu sichern, wurde abgelehnt und führte zur
Demission des Kabinetts. Im neuen Ministerium, dessen Prä-
sidium der bisherige Justizminister Barthou zugleich mit dem Unter-
richtsministerium übernahm, blieben bezeichnenderweise nur die Mi-
nister des Krieges, der Marine und der Kolonien auf ihrem Posten.
Die Hebung der „nationalen Wehrkraft“ wurde jetzt als die dringendste
Aufgabe hervorgehoben und gleichzeitig im Senat wie in der Kammer
eingehend begründet. Man mußte auch den Vorschlägen entgegen-
treten, es zunächst mit einer zweieinhalbjährigen Dienstzeit oder
mit einer Art Königsurlaub für die nach zwei Jahren vollkommen
ausgebildeten Soldaten zu versuchen, und die Einwände entkräften,
die eine dreijährige Unterbrechung der Studien durch den Kriegs-
dienst als ein schweres Hindernis für die zur geistigen Führung
des Volkes bestimmten jungen Leute erklärten. Dabei blieben die
Vorkehrungen zur Deckung der Vorlage im Rückstande. Man be-
gnügte sich, zunächst von der Kammer den nötigen Kredit zu be-
schaffen, um die im Oktober mit ihrem zweijährigen Dienst fertigen
Soldaten noch ein Jahr länger bei den Fahnen zurückzuhalten
(27. Mai). Die zum Teil sehr erregten Verhandlungen in der