Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Mebersicht über die politische Eutwichlung des Jahres 1913. 803 
Auffüllung der Cadres durch gleichzeitige Einziehung von zwei Jahr- 
gängen Rekruten, der Zwanzigjährigen und Einundzwanzigjährigen, 
erreicht wurde. Das französische Offizierkorps stand also seit 
November 1913 vor der schwierigen Aufgabe, nicht weniger als 
480000 Rekruten zu gleicher Zeit auszubilden. In der Frage der 
Heeresvermehrung war also Frankreich hinter Deutschland erheblich 
zurückgeblieben. 
Um so stärker wurden seit dem Herbst 1913 die intimen Be- 
ziehungen zu dem russischen Bundesgenossen betont. Der neue Finanz- 
minister Caillaux willfahrte dem russischen Protest gegen die Aus- 
gabe von 50 Millionen Franken türkischer Schatzbons an der Pariser 
Börse durch staatlichen Eingriff und durch schärfere Betonung des 
Prinzips, geschäftliche Transaktionen fremder Staaten in bezug auf 
Anleihen durch das Auswärtige Amt zu überwachen und zum Hebel 
der auswärtigen Polikik zu machen. An den Beschwerden Rußlands 
über die deutsche Militärmission in Konstantinopel beteiligte sich 
Frankreich mit einer Entschiedenheit, die den guten Beziehungen zur 
Hohen Pforte gefährlich werden mußte. Man konnte darin eine 
Bestätigung der am 19. Oktober von Ssasanow während seines 
Besuches in Paris gegebenen Ankündigung erkennen: „Sollte ein- 
mal in Petersburg Trommelwirbel ertönen, so stände Frankreich an 
Rußlands Seite“ (S. 564). 
Durch den zweimaligen Ministerwechsel im März und No- 
vember wurde auch die Erledigung der Wahlreformvorlage wieder 
hinausgeschoben. Obwohl bereits in der Kammer eine Einigung 
erzielt war, unterbrach das Ministerium Doumergue die ordnungs- 
mäßige Behandlung des Gesetzentwurfs im Senat für den Rest des 
Jahres. Alle anderen Angelegenheiten der inneren Verwaltung 
mußten ebenso während des ganzen Jahres vor der großen Frage 
der Heeresverstärkung und ihrer Deckung zurücktreten. 
über die neueste Entwicklung Italiens gibt die offizielle 
Denkschrift über die politische Lage und den wirtschaftlichen Fort- 
schritt des Landes vom 29. September (S. 583—586) einen natur- 
gemäß etwas optimistisch gefärbten überblick. Wir erkennen daraus, 
daß die fortschreitende Eroberung Tripolitaniens und der Cyrenaica 
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