Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

806 UMebersicht über die politische Entwichluns des Jahres 1913. 
Minister des Auswärtigen sich ausdrückte, als „mare nostrum“ zu 
behandeln. Die darin angedeutete Beeinträchtigung der italienischen, 
durch die Erwerbung Libyens gesteigerten Mittelmeerinteressen konnte 
nur von Frankreich drohen. Daher betonte Marquis di San Giuliano 
sein Einverständnis mit der Staatsleitung Österreich-Ungarns und 
gab dem Wunsche Ausdruck, auch Spanien für die Freiheit des 
Mittelmeers zu interessieren (S. 580, 581). Eine Konsequenz der 
durch die Konzentration der französischen Seestreitkräfte angeregten 
Befürchtungen war die Forderung eines beschleunigten Baues der 
italienischen Kriegsschiffe. Für das Landheer sah Italien von einer 
Beteiligung an dem Rüstungswettstreit ab, trat aber der Frage 
näher, ob man nicht, wie in Frankreich, die Vergünstigung der 
Einjährig-Freiwilligen abschaffen sollte (S. 586). 
Die allgemeinen Wahlen am 29. Oktober verschafften der Re- 
gierung eine verstärkte Majorität in der Kammer. Da man ihr 
auch mit einem sehr erfreulichen Überblick über die Staatsfinanzen 
aufwarten konnte (S.579, 592), und da der König während der Wahl- 
bewegung 39 neue Mitglieder des Senates ernannte, so ging Italien 
am Schlusse des Jahres in jeder Beziehung ruhigen und gedeihlichen 
Zeiten entgegen. 
Zwischen der Römischen Kurie und der Regierung auf dem 
Ouirinal versuchten einige hohe Kleriker ein besseres Verhältnis 
anzubahnen, indem sie darauf hinwiesen, daß die Autorität des 
Papsttums nichts mit der Politik zu tun habe und auch bei völligem 
Verzicht auf die weltliche Herrschaft bestehen könne. Das Verbot 
der Beteiligung an den Wahlen der italienischen Kammer wurde 
von der Kurie nicht erneuert, aber stillschweigend durch die Katho- 
lische Wählervereinigung aufrecht erhalten. 
In der Schweiz wurde der vielumkämpfte Gotthardbahn- 
vertrag endlich angenommen. Belgien erhob seine schon im Vor- 
jahre durchberatene Heeresreformvorlage zum Gesetz und erlangte 
von England endlich die offizielle Anerkennung der Angliederung 
des Kongostaates an Belgien. Die Herrschaft der klerikalen Partei 
blieb ungestört. Luxemburg erhielt ein liberales Schulgesetz. In 
den Niederlanden wurde durch eine Verfassungsänderung das
	        
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