Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

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Wahlrecht weiter ausgedehnt. Bei den danach erfolgenden Wahlen 
fiel keiner Partei ein entschiedenes Übergewicht zu. Dennoch wurde 
das neue Kabinett im wesentlichen aus Mitgliedern der Linken zu- 
sammengesetzt. Auch in Dänemark machte sich der Zug nach links 
bemerkbar. Das radikale Ministerium Zahle führte eine Verfassungs- 
reform durch, durch die die Mitglieder des Landsthings von den 
Kommunalvertretungen gewählt werden, während das Recht des 
Königs, Männer seines Vertrauens zu ernennen, abgeschafft wird. 
Schweden wurde durch die Entdeckung einer umfangreichen, von 
der russischen Gesandtschaft unterstützten Spionage beunruhigt, die 
der neugebildeten, gegen Rußland argwöhnischen Nationalistenpartei 
unter Führung Sven Hedins zahlreiche Mitglieder zuführt. Der 
Wunsch, besser gewappnet zu sein, führte auch zu einer National- 
spende für den Bau eines Panzerkreuzers. Der Ausbau der sozialen 
Gesetzgebung erfolgte nach dem, auch in anderen Ländern maß- 
gebenden deutschen Muster. Auch in Norwegen mußte schon im 
Januar das konservative Ministerium zurücktreten und dem radi- 
kalen Kabinett Knudsen die Regierung überlassen. Nach einem ein- 
stimmigen Beschluß des Storthing wird das Wahlrecht der Frauen 
weiter ausgedehnt, so daß die Zahl der weiblichen Wähler etwas 
größer wird als die der Männer. Bei den Stadtverordnetenwahlen 
in Christiania erhalten die Sozialdemokraten die absolute Majorität. 
Für Rußland boten die Balkanwirren und die offenkundige 
Schwäche Chinas Gelegenheit, die traditionelle Machtpolitik im 
nahen und im fernen Osten durch diplomatische Schachzüge und 
durch Beeinflussung der öffentlichen Meinung weiter zu treiben. 
Dazu dienten außer den Schritten, die schon in der Übersicht der 
hohen Politik berührt worden sind, die Auslandsreisen des Premier- 
ministers Kokowzow und des Ministers des Auswärtigen Ssasonow. 
Die Vormundschaft, die Rußland gegenüber den Balkanstaaten in 
Anspruch nimmt, trat in dem Communigqué der Regierung vom 
10. April sowie in der Berufung der Premierminister der vier ver- 
bündeten Balkanstaaten im Juni deutlich hervor. Aber auch die 
Kundgebungen Ssasonows in Paris (S. 562 f., 564) und Kokowzows 
in Paris und Berlin (S. 567, 355 f.) atmen das Selbstgefühl der
	        
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