Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Mebersicht über die politische Entwichlung des Jahres 1913. 811 
aus Nachgiebigkeit gegen die Forderung der Großmächte bereits 
Abstand genommen hatten, an die noch davor lagernden Monte- 
negriner gegen Bewilligung freien Abzugs mit allen Waffen (S. 676, 
677). Obwohl er schon vorher die albanische Fahne gehißt hatte, 
stellte er am 2. Mai sich und seine in Tirana gebildete Regierung 
unter das Protektorat der Türkei. Aber dieser war damit ebenso- 
wenig gedient wie den Montenegrinern durch die übergabe Skutaris, 
da die Mächte fest entschlossen waren, ganz Albanien als nationalen 
Staat zu konstituieren und durch einen aus dem Auslande berufenen 
Fürsten regieren zu lassen. Albanien war damit endgültig aus dem 
türkischen Machtbereich ausgeschieden; es hat deshalb im Kalenda- 
rium von diesem Zeitpunkt an eine eigene, neue Rubrik erhalten 
(S. 686—688). 
Inzwischen hatte die Türkei am 16. April mit Bulgarien 
einen Waffenstillstand geschlossen, dem auch Serbien und Griechen- 
land beigetreten waren und der sich für Montenegro nach Er- 
reichung seines Kriegszwecks durch den Fall von Skutari von selbst 
verstand. Für die damit eingeleiteten Friedensverhandlungen war 
die Botschafterreunion in London, soweit es sich nicht um Albanien 
handelte, ausgeschaltet. Zwar fand die Türkei noch immer den 
Balkanbund als Einheit bei den Vertragsabschlüssen sich gegenüber. 
Aber sie hatte den Vorteil, daß sich zwischen Bulgarien, dem ge- 
fährlichsten Feinde der Machthaber in Konstantinopel, und den 
anderen Balkanstaaten Meinungsverschiedenheiten über die Ver- 
teilung der gemeinsamen Beute bemerkbar machten, die bereits 
Truppenverschiebungen für den Fall eines Krieges zwischen den 
bisherigen Bundesgenossen veranlaßten. Es war deshalb von vorn- 
herein klar, daß der zwischen der Türkei und ihren verbündeten 
Feinden abzuschließende Friede nur vorübergehende Geltung haben 
werde. Wieder wurde London als Sitz der Friedenskonferenz ge- 
wählt. Dort erfolgte am 30. Mai die Unterzeichnung. Die Türkei 
beugte sich unter die Notwendigkeit, an die Verbündeten alle Gebiete 
abzutreten, die westlich der Linie von Midia am Schwarzen Meer 
nach Enos am Agäischen Meer liegen, trat ihre Rechte auf Kreta 
den Verbündeten ab und überließ das staatsrechtliche Verhältnis 
der Halbinsel Athos und der Inseln im Agäischen Meere, sowie
	        
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