Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Mebersicht üher die politische Entwichlung des Jahres 1913. 817 
schauplatz. Außerdem kam Serbien den Montenegrinern bei der 
Belagerung Skutaris zu Hilfe, ohne seine Eroberungen in Albanien 
preiszugeben. Aus den leichten Erfolgen, die der serbischen Haupt- 
armee im Sandschak, Albanien und Nordmazedonien beschieden waren, 
entnahm die Regierung den Mut, dem Verlangen der Großmächte 
auf Räumung Albaniens zu widerstehen und nur die vor Skutari 
befindlichen serbischen Truppen zurückzuziehen (6.—12. April). So- 
fort verlangte Serbien wegen des ihm voraussichtlich im Westen 
entgehenden Gewinnes eine Revision seines Bündnisvertrages mit 
Bulgarien, um für die über seine Verpflichtungen hinaus geleistete 
Hilfe einen Lohn, für den Ausfall der albanischen Beute eine Ent- 
schädigung und für die über Erwarten große Gebietserweiterung 
Bulgariens eine Kompensation zu erlangen. Schon während der 
Balkanbund mit der Türkei den Londoner Frieden verhandelte, 
kündigte der Ministerpräsident Paschitsch am 28. Mai in Beant- 
wortung einer Interpellation in der Skupschtina die Forderungen 
an, die bereits zu einer ernsthaften Spannung mit Bulgarien ge- 
führt hatten (S. 663—665). So kam es denn schon zwei Tage 
nach der Unterzeichnung des Friedens in London zu dem ersten 
Zwischenfall an der serbisch-bulgarischen Demarkationslinie. Ver- 
geblich suchte der russische Gesandte in Belgrad, v. Hartwig, die kate- 
gorische Forderung der Unterwerfung unter einen vom Zaren zu 
fällenden Schiedsspruch durchzusetzen. Der Kriegsminister erklärte, 
daß die Stimmung in der Armee den voraussichtlichen Verlust des 
den Bulgaren streitig gemachten Gebietes nicht dulden werde, und 
nach dem oft angewandten Auskunftsmittel einer Demission des 
Ministeriums wurde die kühnere Politik zum Regierungsprogramm 
erhoben. Durch eine Note vom 23. Juni verlangte Serbien von 
Bulgarien die Abtretung von vier Gebietsteilen: einen für die Nicht- 
erfüllung der bulgarischen Vertragspflichten, einen zweiten für die 
von Serbien über seine Verpflichtung hinaus übernommenen Leistungen, 
einen dritten als Kompensation für die unerwartete weite Aus- 
dehnung Bulgariens nach Osten hin und einen vierten für den not- 
gedrungenen Verzicht Serbiens auf die ihm im Westen in Aussicht 
gestellte Eroberung. Da Bulgarien darauf nicht einging, wurde das 
Bündnis aufgekündigt und der Krieg begonnen, an dem sich auch 
Europäischer Geschichtskalender. LIV. 52
	        
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