Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

818 Mebersicht über die politische Eutwichlung des Jahres 1913. 
Montenegro, Griechenland und Rumänien als Gegner Bulgariens 
beteiligten. Durch den Frieden von Bukarest erhielt Serbien einen 
„wertvollen Teil Mazedoniens“, der bereits von Bulgarien in Besitz 
genommen war. Um so dringender wurde die Forderung der Groß= 
mächte, daß die serbischen Truppen aus Albanien zurückgezogen 
werden sollten. Als die Regierung ihrer Zusage in dieser Be- 
ziehung nur teilweise nachkam, ging Österreich-Ungarn allein mit 
einer eindringlichen Warnung vor, der sich Serbien am 15. Oktober 
fügte, als die Vertreter Deutschlands und Italiens diese Mahnung 
unterstützten. Der Aufregung im Lande suchte die Regierung durch 
eine Zirkularnote Herr zu werden, durch die Serbien seinen An- 
schluß an den Dreiverband ankündigte und die moralische Unter- 
stützung von London, Paris und Petersburg in Anspruch nahm. 
Es war eine weitere Demütigung vor Österreich, daß die serbische 
Regierung schon zwei Tage darauf (am 20. Oktober) ihre Zirkular-- 
note „vorbehaltungslos zurückzog“. Natürlich wurde die feindselige 
Stimmung gegen die Doppelmonarchie, obwohl die Regierung schon 
vorher die Presse vor allzu hetzerischen Ausfällen gewarnt hatte, 
um so maßloser. Aber die finanziellen Schwierigkeiten, in die man 
durch die beiden Balkankriege gekommen war, hinderten die Vor- 
bereitung auf den von der Volksstimmung verlangten Krieg gegen 
Osterreich. Die Regierung ließ sich daher nicht zu abenteuerlichen 
Schritten fortreißen und setzte ihren Willen bis zum Schluß des 
Jahres durch ein nochmaliges Demissionsgesuch durch, da ohne den 
Ministerpräsidenten Paschitsch die diplomatische Einfädelung kriege- 
rischer Operationen aussichtslos schien. So wurde Serbien, das 
seinen Besitzstand um 39000 Ouadratkilometer und 1½ Millionen 
Einwohner vermehrt sah, infolge seiner Siege, seiner Ausschließung 
vom Adriatischen Meere und der anti-österreichischen Volksstimmung 
der Hauptherd neuer Gärungen, die den Frieden Europas bedrohten. 
Am meisten Schwierigkeit machte dem Londoner Friedenswerk 
die Hartnäckigkeit Montenegros. Dieser kleine Staat erlaubte sich 
bei seiner Kriegführung so brutale Verstöße gegen das Völkerrecht. 
daß das benachbarte Österreich-Ungarn, dem auch die Küstenpolizei 
des Gebietes von Montenegro zustand, am 20. März vier Forde- 
rungen energisch geltend machen mußte (S. 454). Zwar gab die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.