Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Mebersicht über die politische Eutwichlung des Jahres 1913. 819 
Regierung in Cetinje nach. Aber die Belagerung Skutaris wollte 
sie trotz des Verlangens der sechs Großmächte nicht aufheben. So 
kam es zu der Flottenkundgebung und Blockade vom 10. April. 
Trotzdem schritt Montenegro mit der Belagerung weiter fort und 
hatte den schon erwähnten Erfolg, daß Essad Pascha am 238. April 
die Festung übergab. Aber die Mächte ließen von ihrer Forderung 
nicht ab. So mußte sich der König am 5. Mai entschließen, „ein 
großes Opfer für den allgemeinen Frieden zu bringen, ein Opfer, 
das einmütig von allen Seiten, sogar unter Androhung des Ver- 
lustes der Unabhängigkeit Montenegros, von ihm verlangt wurde“ 
(S. 678). Das Ministerium Martinowitsch nahm seine Entlassung, 
weil es diese Politik nicht mitmachen wollte. An dem Kriege Serbiens 
gegen Bulgarien beteiligte sich Montenegro auf dem ihm zunächst 
gelegenen nordalbanischen Gebiet und erlangte im Bukarester Frieden 
einen Neuerwerb der nach dem „Amtsblatt“ Montenegro „gestattet, 
auf eine glänzende Zukunft zu vertrauen“ (S. 679). Das Staats- 
gebiet vergrößerte sich von 9080 auf 14256 Quadratkilometer und 
die Bevölkerung wuchs von 275000 auf 515000 Einwohner. An 
Areal ist also Montenegro jetzt nur wenig kleiner als Elsaß-Lothringen, 
aber an Einwohnerzahl wird es von Mecklenburg-Schwerin erheblich 
übertroffen. 
Griechenland, das auch während der Londoner Friedens- 
konferenz die Feindseligkeiten gegen die Türkei fortsetzte, hatte vor 
seinen Verbündeten voraus, daß ihm auch eine Flotte zur Ver- 
fügung stand und daß es nicht nur für sich, sondern auch für Serbien 
Seetransporte bewerkstelligen konnte. Auch war ihm die Unter- 
stützung der vier Schutzmächte Kretas für die Erwerbung dieser 
Insel von vornherein sicher. Da die ersehnte Gebietserweiterung 
an der Westküste auf albanischem Boden an Italien einen ent- 
schlossenen Gegner fand, so begnügte sich die oberste Heeresleitung 
an dieser Stelle mit der Einnahme von Janina und suchte den 
Landgewinn vorwiegend an der Nordküste des Agäischen Meeres 
und auf den ägäischen Inseln. Die Opfer des ersten Balkankrieges 
waren für Griechenland nur halb so hoch wie für Serbien und 
betrugen wenig mehr als ein Achtel der Verluste Bulgariens an 
Toten und Verwundeten (S. 647). Dennoch gewann man vor Bul- 
527
	        
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