Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

824 Mebersicht über die pelitische Eutwichlang des Jahres 1913. 
Nationalpalast verhaftet. Aber um den zum vorläufigen Präsidenten 
gewählten General Huerta bildete sich eine neue Partei, die in der 
Hauptstadt das Übergewicht hatte. Die Erschießung des gefangenen 
Präsidenten Madero und des Vizepräsidenten Suarez vermehrte die 
Verwirrung. Im Norden des Landes wurde Carranzas zum Gegen- 
präsidenten erhoben, während zugleich die Zapatisten ihren Krieg 
gegen die Bundesregierung fortsetzten. Durch ungewöhnliche Energie 
und Rücksichtslosigkeit behauptete sich Huerta im Besitz der Re- 
gierungsgewalt. Er erlangte die Anerkennung Deutschlands und 
gewann um so mehr Ansehen, je mutiger er sich den Einmischungs- 
versuchen der Vereinigten Staaten widersetzte. Die zur Bestimmung 
des definitiven Präsidenten angesetzten Wahlen wurden annulliert, 
weil nur die Hälfte der Wahlbezirke sich daran beteiligt hatte. 
So konnte Huerta mit diktatorischer Gewalt weiter regieren, obwohl 
er der Aufstände in den Provinzen keineswegs Herr wurde. Auch in 
San Salvador fand der rechtmäßige Präsident durch ein Attentat 
(am 6. Februar) ein gewaltsames Ende. Guatemala rettete sich 
vor einem Ultimatum Englands wegen sofortiger Bezahlung seiner 
Staatsschuld durch Anrufung des Schutzes der Vereinigten Staaten, 
während Cuba die Reklamationen Deutschlands, Englands und 
Frankreichs einem internationalen Schiedsgericht unterbreiten wollte. 
Venezuela wurde durch die Landungsversuche des Expräsidenten 
Castro, Nicaragua durch die Machenschaften des Expräfidenten 
Zelaya beunruhigt. Chile hatte mit Finanzschwierigkeiten zu kämpfen, 
Peru unter einem Erdbeben zu leiden. Am ruhigsten war die Ent- 
wicklung in dem südöstlichen Teil des südamerikanischen Kontinents. 
Dort suchten sich Brasilien und Argentinien durch freund- 
schaftliche Annäherung, Paraguay durch Verbesserung seiner Armee 
mittels deutscher Instrukteure und Uruguay durch die Einführung 
des achtstündigen Arbeitstages vor drohenden Stürmen zu sichern. 
Australien schuf sich in Canberra die neue Hauptstadt 
seiner Commonwealth. Die Bundesregierung, die von der Arbeiter- 
partei unter dem Ministerpräsidenten Fisher gebildet war, hatte 
ein ausführliches Programm zur Entwicklung der Selbständigkeit 
des Kontinents aufgestellt. Sie mußte zwar infolge ihrer Nieder- 
lage bei den Wahlen am 20. Juni zurücktreten. Aber ein Haupt-
	        
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