78 Das Mesche Reich un) seine einfelnen Glieder. (Februar 19.)
solche zu nichten. Wir stehen auf dem Standpunkt, dem Bismarck im Jahre
1885 — also als der Kulturkampf längst abgeschlossen war, und er seinen
Frieden mit dem Zentrum gemacht hatte — ungefähr mit folgenden Worten
Ausdruck gegeben hat: wir bekämpfen die Jesuiten nicht wegen ihres
Katholizismus, sondern wegen ihrer Internationalität, zu der sie durch
ihre ganze Verfassung, durch ihre Einrichtungen und ihre Statuten ge-
#wungen, Mind wir haben nicht einen *2 Ueberschuß an nationalem
Emp daß wir es noch abschwä n lassen konnien. Deutschland ist
sezuseogen blukarm in dieser .eishd Das, s Bismarck damals ge-
sagt hat, gilt auch heute noch. Wir haben uns jor uinige rote Blutkörperchen
mehr zugelegt seit damals, aber einen vollen, kräftig pulsierenden Strom
von nationaler Gesinnung können wir auch heute noch bitter nötig
brauchen. Es wird immer darauf hingewiesen, Friedrich der Gro e
hane ja selbst die Jesuiten als Lehrer für seine Schulen im Lande behalten.
Da möchte ich doch nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß nach den
historischen Feststellungen des bekannten Rechtslehrers im Gneist Kommissions-
bericht von 1872 dies nur mit der Maßgabe geschehen ist, daß die in
Preußen weilenden Jesuiten ihre Verfassung aufgeben mußten und ihre
Ordenstracht nicht tragen durften. Das ist meines Wissens seither niemals
hervorgehoben worden, stellt doch aber ein außerordentlich abschwächendes
Moment dar gegenüber der so beliebten Berufung auf das klassische Zeugnis
Friedrichs des Großen zugunsten der Jesuiten. Auch in katholischen Kreisen
war die Ueberzeugung von der Schädlichkeit der Jesuiten früher vor-
handen, wie ich schon tbeione. 94 erinnere an die Gesetzgebung in Bayern
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erinnere daran, daß im bayerischen Reichsrat sämtliche königlichen
Prinzen gegen die Zulassung der Jesuiten gestimmt haben zu einer Zeit,
als von einem Kulturkampf nicht die Rede war, unter ihnen der spätere
Prinzregent Quitvobd, des Königreichs Bayern Verweser.
Abg. (W. B.): Die nsestbernen Verhältnisse im deutschen
Vaterlande V## ine weitgehende Sterigkeit. Das Verhältnis von 62
Evangelischen und 36 Katholiken ist mit kleinen Schwankungen — die ersten
20 Jahre zugunsten der evangelischen Bevölkerung, die letzten 20 Jahre zu-
gunsten des katholischen Bevölkerungsteils — unverändert geblieben. So-
weit die Zahlen reichen, bringt auch die freireligiöse Agitation keine Ver-
hg, dieses Std es bleibt dabei, daß gut ein
Drittel Katholken knapp zwei Dritteln Evangelischer gegenübersteht. Das
ist eine Bevölkerungsschichtung, wie sie sonst kein großer Staat der Erde
dn unter den kleinen Staaten nur Holland, und sie legt dem deutschen
olke eine überaus schwere Aufgabe auf. Ich weiß es, daß das Jejuiten-
gesetz nicht aus dem Verlangen gläubiger evangelischer Keeise, sondern aus
der Stimmung des Kulturkampfes und aus einer Freimaurerpetition heraus
entstanden ist, und meine Freunde haben — genau wie die meisten National-
liberalen — seinerzeit für die Beseitigung von § 2 des Gesetzes gestimmt.
In den letzten Jelhen ist die Stimmung in den evangelischen Kreisen stark
gereizt worden. Nicht Erscheinungen innerhalb, sondern außerhalb der
evangelischen Kirche, wie das Festhalten am comma Johanneum, der Mo-
dernisteneid, die Borromäus--Enzyklika haben eine Spannung geschaffen, die
. B. in den Worien des preußischen Ministerpröäsidenten vom 7. Mai 1911
im preußischen Abgeordnetenhause Ausdruck fand.
Abg. Dr. Haegy (Elsäßer): In allen Zweigen seelsorgerlicher Tätig-
keit haben die Jesuiten in Elsaß-Lothringen segensreich gewirkt. Die
ersten Jahrzehnte ihres Wirkens fielen bei uns in die Zeit des 30jährigen
Krieges, und wer die Geschichte kennt, weiß, daß wohl kein Gebiet in
Deutschland in der Weise niedergetreten wurde, wie es in Elsaß in jener