Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

56 Bas Beutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 28.) 
Mittelstandes gerecht zu werden. Nun wird man sagen, die Forderungen 
nach einem verstärkten Schutz des Mittelstandes müssen intensiver berück- 
sichtigt werden. Wenn ich mich aber nun frage, was geschehen soll, dann 
gehen die Meinungen hierüber in diesem Hause häufig doch recht sehr aus- 
einander. Wenn man sich die betreffenden Reden ansieht, die die Herren 
bei dieser Debatte gehalten haben, so wird man finden, daß auf allen 
Seiten der gute Wille vorhanden ist, daß aber die Beantwortung der Frage, 
wie die Organisation des Handwerks usw. sein soll, doch recht weit aus- 
einandergeht. Alles in allem komme ich zu dem Ergebnis: gesetzliche Maß- 
nahmen sind vorhanden, und es handelt sich hier nur darum, sie zu ver- 
bessern, zu erweitern, neuen Anregungen Folge zu geben. Es handelt sich 
hier zunächst um Detailarbeit, soweit die Gesetzgebung in Betracht kommt. 
Ich möchte in diesem Zusammenhange auf eine Forderung zurückkommen, 
die von verschiedenen Parteien des Hauses wiederholt erhoben worden ist. 
Man hat geglaubt, oder man glaubt, den Nöten, die den gewerblichen 
Mittelstand noch immer bedrängen, näher kommen zu können durch eine 
mehr oder minder groß und weit angelegte Enquète. Man hat eine Mittel- 
standsenquete angelegt, man hat eine Enquste für den kaufmännischen 
Mittelstand gefordert. Ich möchte nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit 
darauf hin zuweisen, was auf diesem Gebiete bereits geschehen ist. Es wird 
das lehrreich sein in bezug auf die Beantwortung der Frage, was man 
überhaupt auf diesem Gebiete erreichen kann, und wertvoll für die Art, wie 
man eventuell solche Enquêten veranstalten könnte. Sehr interessant ist in 
dieser Beziehung die Müllereienquèdte. Es hat sich dabei herausgestellt, daß 
ein großer Teil der kleinen Betriebe mit Rücksicht auf ihre mangelhaften 
Verhältnisse nur sehr geringe statistische Unterlagen liefern konnte. Immer- 
hin ist diese Müllereienquete in ihrer Art eine der besten Enquêten, die 
wir gehabt haben, und sehr lehrreich für die Frage, ob wir in derselben 
Weise sämtliche Handwerkerkreise heranziehen können. Es ist sehr fraglich, 
ob wir für den gesamten Handwerkerstand eine Enquete veranstalten können. 
Dazu würden wohl die Arbeitskräfte und die finanziellen Mittel nicht aus- 
reichen. Wir müssen uns nach einer Form der Enquete umsehen. Wir 
werden uns auf Teilenqueten beschränken müssen, und das ist auch schon 
geschehen, z. B. in bezug auf die Produktionsverhältnisse über die Spitzen- 
und Stickereibranche, über die Herstellung von Schuhschäften, über die Hen- 
stellung von Möbeln usw. Es ist durch eingehende Verhandlungen mit den 
Vertretern der Handwerker vorher festgestellt worden, in welchem Umfange 
auch von den kleinen Betrieben die Fragebogen beantwortet werden können. 
Auch bei der Bankenqueète, wo kontradiktorisch verhandelt wurde, sind die 
Verhältnisse der Handwerker eingehend berücksichtigt worden. Wir beabsich- 
tigen, auf diesem Wege der schrittweisen Ermittlung der Verhältnisse der 
Kleinbetriebe vorzuschreiten. Was die Frage der Veranstaltung einer En- 
qucte über die Verhältnisse des kaufmännischen Mittelstandes betrifft, so 
hoffe ich, daß wir uns auch hier auf bestimmte kaufmännische Fragen vorher 
werden einigen können, um zu ermitteln, auf welchem Wege die Enquete 
veranstaltet werden kann. Ich habe schon gesagt, es bleiben nur noch Detail- 
fragen. Diese sind in der letzten Zeit schon erörtert worden. Es ist auf- 
getaucht die Forderung der Beschränkung des Hausierhandels, der Wander- 
lager, es ist aufgetaucht der Wunsch der Rleinbetriebe in bezug auf eine 
zweckmäßige, ihren Verhältnissen angepaßte Ausgestaltung der Sonntags- 
ruhe. Hierüber wird in Kommissionen beraten. Ferner ist seit Jahren sehr 
eingehend erörtert worden die Frage des Verdingungswesens. Auch hier- 
über berät eine vom Reichstage niedergesetzte Kommission. Ich erinnere 
auch an die Kommission für das Lieferungswesen. Ich habe die Bedeutung
	        
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