Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Das Denisqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 30. 31.) 59 
tragende Rat im Reichsamt des Innern Freiherr v. Stein. Kreis- 
direktor Mahl wird von Zabern nach Thann im Oberelsaß, Kreis- 
direktor Dr. Beyerlein von Thann nach Zabern versetzt. Der Statt- 
halter Graf Wedel verbleibt auf Wunsch des Kaisers noch einige 
Zeit auf seinem Posten, um die neuen Mitglieder der reichsländischen 
Regierung in die Geschäfte einzuführen. 
30. Januar. Grubenkatastrophe auf der Zeche Minister 
Achenbach bei Dortmund in Westfalen. Nach den endgültigen Fest- 
stellungen sind 19 Tote dem Unglück zum Opfer gefallen. 
31. Januar. (Preußen.) Zum Oberpräsidenten der Provinz 
Brandenburg wird der bisherige Regierungspräsident von der 
Schulenburg in Potsdam ernannt. 
31. Januar. (Deutscher Reichstag.) Etat des Reichsamts 
des Innern. (Wirtschaftspolitische Fragen, Streikpostenstehen, wirt- 
schaftlicher Ausschuß.) 
Aus den Verhandlungen: Abg. Bassermann (Nl.): „Was das Ko- 
alitionsrecht anlangt, so kann es wohl als das höchste Gut unserer deutschen 
Arbeiter und Angestellten bezeichnet werden. Es wäre sittlich verwerflich, 
dieses Recht anzutasten: es wäre auch volkswirtschaftlich völlig verfehlt, denn 
das Aufsteigen der modernen Arbeiterschaft in wirtschaftlicher Beziehung ist 
wesentlich mitbedingt durch dieses freie Koalitionsrecht. Auch politisch wäre 
es geradezu ein Wahnsinn, es einzuschränken. Die moderne Arbeiterent- 
wicklung hat verschiedene Wege eingeschlagen. Neben der sozialdemokratischen 
Bewegung stehen große Arbeiterorganisationen, die auf dem Boden der 
Monarchie und der heutigen Staats- und Gesellschaftsordnung ihre Inter- 
essen vertreten. Diese dem Staatsgedanken abspenstig und sie mißtrauisch 
zu machen, würde ich politisch für den größten Fehler halten. Wir haben 
beute mit der Tatsache zu rechnen, daß heute manche Arbeiterkreise sich von 
der sozialdemokratischen Bewegung abwenden, wie das aus der Presse der 
letzteren selbst hervorgeht. Wir haben einerseits Organisationen zu ver- 
zeichnen, wie die christlichen Gewerkschaften und die Hirsch-Dunckerschen Ge- 
werkvereine. Unsere vollen Sympathien begleiten sie in ihrem schweren 
Kampfe gegen die Sozialdemokratie. Das gilt auch für die christlich-nationale 
Arbeiterbewegung nach einer anderen Richtung, in ihrem Kampfe gegen 
kirchliche Autoritäten. Daneben haben wir auch wirtschaftsfriedliche Organi- 
sationen; auch diesen wird man Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen. 
Wenn man den Arbeitern das Koalitionsrecht gibt, so muß man es ihnen 
überlassen, wie sie sich koalieren wollen. Sich da einzumischen und den 
Arbeitern darüber Vorschriften machen zu wollen, halte ich für kein liberales 
Beginnen. Der Abg. Böttger hat bereits erwähnt, daß in dieser wirtschafts- 
friedlichen Bewegung auch verschiedene Richtungen sich geltend machen; 
ebenso steht aber fest, daß in dieser Bewegung sich Tausende reichstreuer 
Männer zusammengefunden haben. Der Reichskanzler hat sich bei der 
ersten Etatsberatung über das Koalitionsrecht geäußert und ein unumwun- 
denes Bekenntnis zu diesem Recht abgelegt. Die von ihm aufgestellten Grund- 
sähe wird man billigen können. Er hat erklärt, daß bei allen gegen etwaige 
Auswüchse zu treffenden Maßnahmen Parität gewahrt werden muß, daß 
alle diese Maßnahmen zu treffen sind auf dem Boden des gemeinen Rechts
	        
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