Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Daes Derisqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 31.) 61 
nur die Sozialdemokraten aus, sondern auch die Konservativen, wie es 
meine politischen Freunde in Pommern erfahren haben.“ Redner äußert 
sich weiter über die Aufgaben des wirtschaftlichen Ausschusses. 
Darauf erwidert Staatssekretär Dr. Delbrück: Der Abg. Bassermann 
bat im Anschluß an den letzten Teil meiner programmatischen Ausführungen 
die Frage erörtert, ob es nicht möglich und zweckmäßig sei, dem Wirtschaft- 
lichen Ausschuß eine andere Organisation zu geben. So ist der Wunsch 
ausgesprochen worden, ob es nicht möglich sei, die Vertreter weiterer Ver- 
bände zuzulassen und ihn selbst in Unterabteilungen aufzulösen, die sich mit 
den Fragen der einzelnen Industriezweige beschäf igen sollen. Mit der 
Prüfung all dieser Fragen bin ich unablässig beschäftigt. Wir haben all- 
lährlich Erörterungen darüber gehabt. Ich bin aber heute davon nicht über- 
zeugt, daß wir den Ausschuß wesentlich anders gestalten können, ohne seine 
Brauchbarkeit für seine eigentlichen Zwecke in Frage zu stellen. Wir müssen 
immer daran festhalten, daß die allgemeinen Richtlinien in unserer Zoll- 
und Tarifpolitik durch den Reichstag festgelegt werden. Die Regierung hat 
die Pflicht, alles Material sich zu verschaffen, und man muß ihr darin eine 
gewisse Freiheit lassen. Man muß es vor allem vermeiden, dem Wirtschaft- 
lichen Ausschuß eine gewisse amtliche offizielle Form zu geben. Das würde 
binauslaufen auf die Schaffung einer Art von Zollparlament, das den Ein- 
fluß des Reichstags wesentlich beschränken müßte. Ich erinnere da an die 
Erfahrungen, die wir in Preußen mit dem Versuch gemacht haben, den 
Volkswirtschaftlichen Rat zu gründen, eine Idee, die von allen Parteien 
von der Hand gewiesen wurde. Man meinte, man dürfe unmöglich eine 
Organisation schaffen, die in die Kompetenz des Reichstags eingreift. Ebenso 
ging es mit dem sogenannten Wirtschaftlichen Beirat. Der hat sich als 
funktionsunfähig erwiesen, weil er zu groß war. Je größer eine solche 
Körperschaft wird, um so mehr hat sie die Neigung, allgemeine politische 
Fragen zu erörtern und Vorschläge an den Reichstag zu machen. Das kann 
aber nicht der Zweck einer solchen Organisation sein. Sie soll nur die Fak- 
toren bewerten und gegeneinander abwägen, die ausschlaggebend für die 
Ausarbeitung von Zolltarifen und Zollverträgen sind. Die gegenwärtige 
Organisation des Wirtschaftlichen Ausschusses gibt mir die Möglichkeit, so 
viele Sachverständige zu hören, wie notwendig 1 Zurzeit ist der Deutsche 
Landwirtschaftsrat, der Deutsche Handelstag und der Zentralverband Deutscher 
Industrieller im Wirtschaftlichen Ausschuß vertreten. In letzter Zeit sind 
nun anderweitige Verbände gegründet worden, die den Wunsch entstehen 
ließen, auch ihnen die Möglichkeit der Vertretung in diesem Ausschuß zu 
geben. Erkennt man ein gewisses Recht an, daß jeder sich etwa gründende 
Verband auch einen Vertreter entsenden kann, dann würde die Zahl der 
Mitglieder im Wirtschaftlichen Ausschuß bald so anschwellen, daß er arbeits- 
unfähig wird. Man darf hierbei nicht vergessen, daß eine Reihe dieser 
neuen Verbände trotzdem vertreten sind. So ist ein Teil ihrer Mitglieder 
durch den Zentralverband und den Deutschen Handelstag vertreten. Die 
augenblickliche Organisation gibt dem Reichskanzler auch die Möglichkeit, 
durch Ernennung der Mitglieder hierin einen Ausgleich zu schaffen. Ich 
glaube nicht, daß die Verhältnisse gebessert würden, wenn wir die Zahl der 
Mitglieder des Wirtschaftlichen Ausschusses erhöhen. Das Präsentations- 
recht hat ja nicht mehr den Wert wie früher. Früher wollte man gewisse 
Substrate schaffen. Seitdem aber der Wirtschaftliche Ausschuß da ist, spielt 
dies gar keine Rolle mehr. Durch die Vernehmung von Sachverständigen 
in kontradiktorischem Verfahren wird nach meiner Ansicht eine Klärung der 
einzelnen Fragen viel eher erreicht. Ich möchte also schon jetzt sagen: Ich 
bin bereit, in den bisherigen Grenzen alles zu tun, was in meinen Kräften
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.