66 Dae Beutsche Reicz und seine einzelnen Glieder. (Februar 4.)
auch die Ausführung und Handhabung des Vereinsgesetzes in der Kom-
petenz der einzelnen Landesregierungen. Die verschiedenen Ausführungs-
bestimmungen stehen durchaus auf dem Boden des Vereinsgesetzes und der
hier abgegebenen Erklärungen. Sie sind von dem Wunsche und Willen ge-
tragen, das Gesetz in einem liberalen von Schikanen freien Sinne aus-
zuführen. (Lachen l. und im Z.) Das ist zweifellos der Sinn der Bestim-
mungen, die seit vier bis fünf Jahren erlassen sind. Es war für mich sehr
interessant, an die Debatten der frühern Jahre zu denken und festzustellen,
daß die Zahl derjenigen Beschwerden, die sich gegen die Exekutivbehörden
richten, nahezu verschwunden ist. (Widerspruch im Z. und l.) Es gibt
nur noch sehr wenige. Die ganzen Angriffe haben sich nicht gegen das
Vorgehen der Exekutivbehörden gerichtet, sondern gegen die Auslegung des
Gesetzes durch die Gerichte. Natürlich gehen die gerichtlichen Urteile öfter
auseinander. Wir haben deshalb im Reichsamt des Innern diese Ent-
scheidungen gesammelt und inzwischen ein großes Material aufgehäuft, das
wir prüfen und ausziehen. Wir haben damit einen Ueberblick über die
Judikatur in Sachen des Vereinsgesetzes gewonnen, der sehr wertvoll ist
und den wir Ihnen gern zur Verfügung stellen. Wenn man diese Ent-
scheidungen gegeneinander abwägt, so muß man im ganzen doch auf Grund
dieses Studiums zu der Ueberzeugung kommen, daß sich in den fünf bis
sechs Jahren seit dem Bestehen des Gesetzes auf dem Gebiet des Vereins-
rechtes eine große Sicherheit gebildet hat, und daß es allmählich einheitlich
angewandt wird. Mit aller Entschiedenheit muß ich mich dagegen ver-
wahren, daß hier gesagt wurde, das Oberverwaltungsgericht habe einen
Rechtsbruch begangen. Das sagt man nicht von einem solchen Gericht.
(Lachen bei den Sd., Unruhe.) Gerichte begehen keine Rechtsbrüche. (Bei-
fall r. und in der Mitte, Lärm bei den Sd.) Sie (nach links) können
anderer Meinung sein, Sie dürfen aber niemals einem Gericht vorwerfen,
daß es Rechtsbrüche begeht. (Beifall r., Unruhe bei den Sd.) Hinsichtlich
des Sprachenparagraphen kann ich mich in diesem Moment auf eine leiden-
schaftliche Erörterung, wie sie 1907 und 1908 stattfand, nicht einlassen.
Sie dürfen anderseits nicht glauben, daß die verbündeten Regierungen ihren
Standpunkt in dieser Frage geändert haben. Zum Fall Amundsen kann ich
erklären, daß nicht Amundsen selbst darum einkam, in Flensburg in nor-
wegischer Sprache zu sprechen, sondern die Konzertdirektion, mit der er
einen Vertrag abgeschlossen hatte, eine Anzahl Vorträge zu halten. Die
Konzertdirektion hat gewußt, daß es sich hierbei um Versammlungen han.
deln könne, die unter das Vereinsgesetz fallen, und deshalb den Regierungs-
präsidenten benachrichtigt, daß Amundsen neben einem Vortrag in deutscher
auch einen in norwegischer Sprache halten würde. Dieser letztere Vortrag
wurde untersagt, und die Erwägungen dafür scheinen mir sehr nahe zu
liegen. Der Regierungspräsident sagte sich, daß Flensburg eine durch und
durch deutsche Stadt ist, wo es kaum einen Menschen gibt, der nicht deutsch
spricht, nur sehr wenige, die auch dänisch sprechen. Er konnte sich sagen,
da steckt etwas anderes dahinter, der Wunsch, daß eine Art Heerschau ge-
halten werde. (Große Unruhe und Lärm l.) Das ist mir vollkommen klar,
das hat der Regierungspräsident nicht gewollt. Er ist von der Auffassung
ausgegangen, daß es sich nicht um einen bloßen Vortrag handelt, sondern
daß eine politische Agitation damit verbunden werden solle. (Erneute Un-
ruhe.) Nun ist in der öffentlichen Meinung des In- und Auslandes die
Anordnung so ausgelegt worden, als ob sie sich gegen Amundsen selbst
richte, den ich übrigens hoch verehre als großen Forscher und als einen
der ersten Männer unserer Zeit bewundere. Amundsen hat es selbstverständ-
lich vollkommen fern gelegen, das anzunehmen. Er hat sich infolgedessen