Das Deutsche Reicz und seine einzelnen Glieder. (Februar 4.) 67
auch gar nicht darüber beschwert. Er hat dann doch auf die Entscheidung
des Ministers norwegisch sprechen dürfen. Der Minister hatte, weil die
Sache einmal so aufsgefaßt worden war, und weil man behauptet hatte,
man wolle den großen norwegischen Forscher nicht sprechen lassen, die Ge-
nehmigung erteilt. Auch aus dem Grunde, weil man die befreundete nor-
wegische Nation nicht verletzen wollte. Einen besondern Verstoß gegen das
Vereinsgesetz kann man aber aus diesem Vorgang wirklich nicht herleiten.
Unruhe und Lachen bei den Sd., Sehr richtig! r.) Es bleibt eben dabei,
daß der Regierungspräsident einschritt, weil er meinte, der dänischen Agi-
tation solle mit dem Vortrag Vorschub geleistet werden, und das sollte ver-
bindert werden. (Unruhe und Lachen bei den Sd.) Ja, zuerst verlangen
Sie, daß die höhern Behörden eine solche Maßregel aufheben und jetzt be-
schweren Sie sich, daß es wirklich geschehen ist. (Sehr richtig! r., Lachen
bei den Sd.) Zur Frage, ob auch landwirtschaftliche oder sboriliche Ver-
eine unter die politischen zu rechnen sind, muß darauf verwiesen werden,
was ja auch im Kommentar des Dr. Müller-Meiningen steht, daß nicht das
Firmenschild eines Vereins entscheidend sein kann, sondern nur das, was
in dem Verein wirklich vorgeht. (Sehr richtig! r.) Eine Definition für den
Begriff „politischer Verein“ ist * der Beratung des Gesetzes nicht zustande
gekommen und wir müssen die Frage der Judikatur überlassen; deshalb ist
es auch sehr schwer, hier in eine Erörterung über die Einzelfälle ein-
zutreten, weil es sich da stets um Tatfragen handelt.“ Zu dem Erlaß des
Volizeipräsidenten v. Jagow, der den Schutzmännern verbietet, sich in Ver-
einen zusammenzuschließen, bemerkt der Redner: „Wenn die Oberprimaner
Berlins eine Versammlung abhalten wollen, so darf die Polizei gegen sie
nicht vorgehen. Daß aber die Direktoren unter Umständen dafür Karzer
geben, halte ich für selbstverständlich. Das ist eine klare Abgrenzung
zwischen dem, was polizeilich nicht verhindert werden, und dem, wogegen
die Disziplinarbehörde einschreiten kann. Wenn in einer Diözese Kleriker
sich vereinigen wollen, so muß doch wohl der Bischof das Recht haben, das
zu verbieten. Dasselbe Recht, was Lehrer und Kirche haben, muß, ver-
nunftig gehandhabt, auch den Disziplinarbehörden zustehen. Man will doch
nicht etwa den Beamten allgemein verbieten, sich zu Vereinen zusammen-
michließen. Gerade in der Beamtenschaft hat sich das Vereinswesen un-
gebeuer entwickelt. Die Budgetkommission wird ja mit Gesuchen dieser Be-
amtenvereine überschüttet und bestürmt. Bei der Post gibt es Beamtenvereine
mit 41000 und 100000 Mitgliedern. Das sind doch ganz ungeheure Zahlen.
Es gibt wohl keinen Postbeamten, der nicht in einem Verein ist. Da kann
doch wohl niemand behaupten, daß den Beamten allgemein das Recht ge-
nommen wird, sich in Vereinen zusammenzuschließen. Nun hat die hiesige
Schutzmannschaft die Aufgabe, für die Sicherheit, das Leben und das Eigen-
lum der Bürger einer so großen Stadt wie Berlin zu sorgen. Das sind
doch besondere Verhältnisse. Als Herr v. Jagow seinen Erlaß veröffent-
lichte, hat der Polizeipräsident von Groß-London ebenfalls einen Erlaß
derausgegeben, der fast denselben Wortlaut hat. Auch er verbietet den
Schutzmännern, sich in Vereinen zusammenzuschließen, und droht ihnen
mit Entlassung. Die englische Presse hat diesem Vorgehen zugestimmt. Nun
sagt man, in den Statuten des Berliner Vereins sei nichts enthalten, was
gegen den Verein spreche. Was die Statuten sagen, das steht auf dem
Tapier, das liest sich sehr schön. Was aber später aus so einer Sache wird,
das kann kein Mensch wissen. (Sehr richtig! r., Lachen l.) Da wird Hebung
des Standesbewußtseins iange Gerade da ist eine schrankenlose Aus-
dehnung nach allen Richtungen möglich. Derienige, der die Verantwortung
trägt, daß diese Truppe von 8000 Mann immer fest in der Hand des
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