Das Dentsqhe Reiqh und seine einfelnen Glieder. (Februar 10.) 69
Nachfrage nach Arbeitern beitragen können. Daneben sollten selbstverständ-
lich auch die Privatunternehmer bemüht sein, Arbeiterentlassungen, soweit
es an ihnen liegt, zu vermeiden; dies ist auch, wie eine von uns im
hiesigen Bezirk veranstaltete Umfrage ergeben hat, in großem Umfang der
Fall. Im Hinblick auf dieses sozialpolitische Draufgängertum ist es dankens-
wert, daß der Staatssekretär des Innern es endlich einmal deutlich aus-
gesprochen hat, daß nach Ansicht der Reichsregierung wir zu einem ge-
wissen Abschluß bei unsern sozialpolitischen Gesetzen gekommen sind, „auch
insoweit als wir annähernd die Grenze derjenigen Versicherungsmöglich-
keiten erreicht haben, die es überhaupt gibt“, und wenn er ferner betont
dat, daß das, was jetzt zu tun bleibt, nicht gesetzgeberische Arbeit ist, son-
dern die Detailarbeit des einzelnen Beamten, die Detailarbeit der Behörden
draußen. In der Tat ist gerade die Gesetzgebung der letzten Jahre, ins-
besondere die Reichsversicherungsordnung und die Angestelltenversicherung,
mit einer solchen Fülle von Detailarbeit verbunden, und es haben sich der-
artige Schwierigkeiten bei ihrer Bewältigung ergeben, daß es größter Mühe
und Hingabe der beteiligten Behörden, Venschekungsträyer und Arbeitgeber
bedürfen wird, um den verwickelten Knäuel gesetzlicher Bestimmungen so
zu entwirren und die Gesetze so auszuführen, daß ein erträglicher Zustand
für die Beteiligten geschaffen wird. Der Staatssekretär hat auch erwähnt,
daß mit der Einrichtung der Versicherungsämter und der Oberversicherungs-
u#mter, d. h. paritätisch besetzter Behörden unter einem beamteten Vorsitzen-
den, die Selbstverwaltung auf dem Gebiet unserer sozialpolitischen Ver-
sicherung wesentlich ausgedehnt worden sei. Diese Aeußerung allerdings
können wir nicht unwidersprochen lassen; bei den genannten Behörden ist
tatsächlich nur der Schein der Selbstverwaltung vorhanden, in Wirklichkeit
ist es der vorsitzende Beamte, der die Behörde darstellt, die einzelnen Bei-
sitzer haben vielleicht die Möglichkeit, einmal in einem Einzelfall ein Urteil
zu beeinflussen, auf die ganze Richtung der Verwaltung haben sie keinen
Einfluß, schon deshalb, weil ihre Zahl groß ist und sie nur vorübergehend
und abwechselnd zu den verschiedensten Fragen herangezogen werden. Da-
her erblicken denn auch die in der Praxis stehenden Sachverständigen in
senen Behörden, die zum Teil schon eifrig bestrebt sind, ihre Machtbefug-
nisse zu erweitern, nicht eine Förderung der Selbstverwaltung, sondern
einen großen Schritt zur Bureaukratisierung des ganzen Versicherungswesens.
10. Februar. (Deutscher Reichstag.) Dem Reichstag geht
ein Gesetzentwurf über Anderung des Militärstrafgesetzbuches zu. Der
Entwurf enthält verschiedene Milderungen der Strafbestimmungen
über Fahnenflucht und der Vergehen gegen die militärische Unter-
ordnung.
10. Februar. Reichstagsersatzwahl im Wahlkreise Magde-
burg 3 (Jerichow I und II). Es erhielten Expedient Haupt-Magde-
burg (Sd.) 12684, Rittergutspächter Schiele-Schollene (K.) 12089,
Fleischermeister Kobelt-Magdeburg (Fortschr. Vp.) 6911 Stimmen.
Zersplittert waren 8 Stimmen. Stichwahl zwischen Haupt und Schiele.
10. Februar. (Elsaß-Lothringen.) Sitzung der zweiten
Kammer. Bei Beratung der Vorlage über Besoldungsreform er-
greift der neue Staatssekretär Graf v. Roedern sogleich das Wort,
um sich dem Hause vorzustellen.