72 Haes Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Jan. bis Mitte Febr.)
und kulturellen Lebens schaffend und neu aufbauend wirkt, der wird im
Zusammenschluß aller besonnenen und von Staatsbewußtsein getragenen
Elemente im ganzen Reich auch stark genug sein, um die Kräfte nieder-
zuhalten, die in der gärenden Entwicklung unserer Zeit das Gefüge unseres
staatlichen Baues nicht festigen und bessern, sondern lockern und nieder-
reißen wollen. Graf Schwerin hat gut getan, zu erinnern, daß der
Deutsche Reichstag im vorigen Jahre in starker Entschlußkraft die größte
aller Wehrvorlagen zum Schutz des Deutschen Reiches bewilligt hat. Und,
m. H., wenn Sie sich dem Ergebnis Ihrer eigenen Tätigkeit zuwenden:
ein gut Teil bleibt Jahr für Jahr dem Segen oder Unsegen höherer
Gewalten vorbehalten. Von dem übrigen, was als Ihre eigenste
Leistung verbleibt, können auch Sie mit stolzer Befriedigung sagen:
auch hier ist deutscher Fleiß, deutsches Wissen, auch hier die ewig
frische Tüchtigkeit unseres Volkes. Daß das immer so bleiben möge, das
ist unser aller Wunsch. Ich bitte Sie, erheben Sie Ihre Gläser und
stimmen Sie mit mir ein in den Ruf: Die deutsche Landwirtschaft und
Ihre Vertretung der Deutsche Landwirtschaftsrat, sie leben hoch, hoch, hoch!“
(Lebhafter Beifall.)
Ende Januar bis Mitte Februar. Streit zwischen den katho-
lischen Gewerkschaften und der „Berliner Richtung“ (Integralen).
Der durch die Auseinandersetzungen zwischen der sogenannten Kölner
und der Berliner Richtung in den katholischen Kreisen und der
Zentrumspartei hervorgerufene und durch die Stellungnahme der
höchsten geistlichen Autorität gegenüber den christlichen Gewerk-
schaften verschärfte Streit erreicht seinen Höhepunkt durch die Aus-
einandersetzungen über das Eingreifen des Kardinals Kopp mit dem
Brief an den Grafen Oppersdorff.
In Köln gibt am 13. Februar in einer Versammlung katholischer
Arbeiter der Generalsekretär Stegerwald vom Gesamtverband der christlichen
Gewerkschaften unter allgemeiner Zustimmung die Erklärung ab, daß die
christlichen Gewerkschaften sich künftig nicht mehr mit der Berliner Richtung
der Integralen auseinandersetzen würden. Die christlichen Gewerkschaften
würden auch in dem gegenwärtigen Streit in der Rolle eines Zuschauers
verharren, da sich für sie seit dem Essener Kongresse nichts ereignet habe,
was sie zu einer neuen Stellungnahme veranlassen könnte. Seit dem Essener
Kongreß liege nur die Tatsache vor, daß Kardinal Kopp von der bekannten
Interpretation der Gewerkschaftsenzyklika zurückgetreten sei, was nichts Wesent-
liches sei, da der Kardinal stets ein Gegner der christlichen Gewerkschaften
gewesen sei. Der Brief des Kardinals Kopp an den Grafen Oppersdorff
habe also keine neue Lage für die christlichen Gewerkschaften geschaffen. Das,
worum sich der Streit drehe, sei eine Art des Einflusses der kirchlichen
Instanzen auf nicht rein kirchliche Angelegenheiten. Die Gewerkschaften
lehnten es ab, sich künftig mit diesen Fragen zu beschäftigen, die mehr auf
politischem und kirchenpolitischem Gebiete ausgetragen werden müßten. Dagegen
liege den katholischen Arbeitern in diesem Streite eine große Aufgabe ob,
weil sie bei einer Verschärfung oder Andauer des Streites mehr zu ver-
lieren hätten als die christlichen Gewerkschaften. Die katholischen Arbeiter
hätten alle Veranlassung, zu erklären: Wir geben dem Staate, was des
Staates ist, und wir geben der RKirche, was der Kirche ist, aber wir geben
auch dem Arbeiter, was des Arbeiters ist.