Bs Beeufssche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 16.—19.) 77
„Ueber die Zabern-Affäre will ich hier nicht sprechen: O rühret, rühret nicht
daran! (Heiterkeit.) Die Krupp-Affäre wollen wir beim Militäretat be-
bandeln. Die Stelle des sechsten Reichsanwalts wollen wir nicht bewilligen
und werden deshalb gemäß dem Kommissionsbeschluß die auf Wieder-
derstellung des Postens abzielenden Anträge ablehnen. Wir danken dem
Staatssekretär für die Erfüllung einer Reihe unserer Wünsche und seine
Bereitwilligkeit zur Berücksichtigung weiterer Wünsche. Wir bedauern, daß
es nicht gelungen ist, das Luftschiffahrtsgesetz international zu regeln. Die
nationalliberale Resolution, die einen Gesetzentwurf über den Zwangs-
bergleich außerhalb des Konkurses fordert, halten wir für überflüssig, da
wir im Vorjahre eine gleiche Resolution fast einstimmig angenommen
haben und das Justizamt dafür einzutreten versprochen hat. Die Dauer
der Zivilprozesse ist in Oesterreich viel geringer als bei uns. Unser Zivil-
prozeß muß daher beschleunigt werden. Wie steht es mit der Neuregelung
der Verhältnisse der Rechtsanwaltsangestellten? Die Rechtsanwaltsgebühren
müssen erhöht werden, aber mit Vorsicht, damit die Prozesse des kleinen
Mannes nicht verteuert werden. Beim Amtsgericht Berlin Mitte sollte ein
Gesamtschuldnerverzeichnis angelegt werden. Das wäre ein gewisser Schutz
für unsere Gläubiger. Redner klagt über die Schamlosigkeit der Presse.
„Enthüllungen über hochgestellte Persönlichkeiten usw., die scheußlichen Taten
Sternickels wurden genau aufgezählt, ebenso das Treiben des Knaben-
mörders Ritter. Das war ein Skandal! Selbst der „Vorwärts“ sprach
von einer „sensationslüsternen Schweinerei", und wie schamlos ist der
Generalintendant v. Hülsen angegriffen worden! Erfreulicherweise ist der
Beleidiger mit einer Gefängnisstrafe von einem Jahr bestraft worden.
(Sehr gut! r.) Dann die „schöne Sünderin Hedwig Müller.“ Sogar das
Bild dieses Fräuleins ist auf den Straßen verkauft worden. Am meisten
muß das Verhalten des Staatsanwalts gerügt werden, der sich der An-
geklagten liebevoll annahm und immer fragte: Wie geht es Ihnen? Können
Sie die Verhandlungen noch aushalten? usw. Das hat einen übeln Ein-
druck gemacht. Der Justizminister hat dieses Verhalten erfreulicherweise
mißbilligt. Der Prozeß hat aber viel Schaden angerichtet. Wenn Fräulein
Müller noch so hübsch ist, wie sie gewesen sein soll, so wird sie nach der
Berbüßung der Strafe eine sehr gute Karriere in der Berliner Lebewelt
machen. (Sehr richtig! im Z.) Die Reklame, die eine gewisse Presse mit
Mädchen gemacht hat, wird noch manchem Mädchen zum Verderben werden
und die Lust nach einem ähnlichen Leben wachrufen. Was muß das Volk
zu einem solchen Prozeß sagen? Im Dämmerzustand soll eine solche Tat
begangen sein, wie ein Sachverständiger sagte. Das versteht das Volk
nicht. Man wird sich fragen, ob der Prozeß auch so ausgefallen wäre,
wenn es sich nicht gerade um eine junge hübsche Dirne gehandelt hätte.
(Sehr richtig" im Z.) Wir erwarten möglichst bald eine Novelle gegen den
Schmutz in Wort und Bild. Mit dem Vorgehen des Staatsanwalts gegen
die Künstlerkarten sind wir einverstanden, denn hier handelt es sich um
einen Mißbrauch der Kunst. Nicht einverstanden sind wir mit der Aus-
quetschung der Zeugen vor Gericht, besonders nicht mit den Fragen nach
Vorstrafen. Notwendig ist eine reichsgesetzliche Regelung des Irrenwesens.
Große Beunruhigung aber erregt es im Volk, daß fast jeder Verbrecher
behauptet, geisteskrank zu sein, und immer findet sich ein Sachverständiger,
der das glaubt, die berüchtigten Dämmerzustände spielen eine große Rolle.“
Der Redner bespricht dann noch einzelne Fälle und bemerkt zum Schluß,
das Vertrauen des Volks zu seiner Rechtspflege muß noch mehr gestärkt
werden. Schiffer-Magdeburg (Nl.): „Ich bitte den Vorredner, in jenen
Kreisen, denen er nahesteht, dahin zu wirken, daß alles unterbleibt, was