Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

98 Das Pentsthe Reith und seine eintelnen Glieder. (Februar 19.—21.) 
und einem Staatsbetrieb machen, der auf Etatsbewilligung beruht, und wo 
die geringste Kleinigkeit einer Revision unterworfen ist. Mag auch das 
kameralistische System Fehler haben, so habe ich doch Bedenken, daß an 
diesem System gerüttelt wird. Daß die Lieferungen auf das ganze Deutsche 
Reich verteilt werden, billigen wir. Unseren pensionierten Offizieren darf 
der Zugang zu den privaten kaufmännischen Firmen nicht verschlossen 
werden. Auch wir halten eine stärkere Vertretung Deutschlands im Aus- 
lande durch unsere Schiffe für notwendig. Von großer Wichtigkeit ist die 
Heizungsfrage. Die Oelheizung ist von so großem Vorteil, daß sie näher 
geprüft werden muß. Hoffentlich gelingt es, Erdöle in möglichst großem 
Umfange für unsere Marine zu beschaffen. Ich stelle fest, daß nach wie 
vor das Bedürfnis besteht, an unserm Flottenprogramm festzuhalten. Eine 
Marine, die unter einer so zielbewußten Leitung wie des Staatssekretärs 
steht, ist der beste Schutz für unsere Weltmachtstellung und zugleich die 
beste Garantie für den Weltfrieden.“ 
Staatssekretär von Tirpitz: „Ich begrüße die Anregungen des 
Abg. Bassermann und des Vorredners, daß wir unsere Marine in Zukunft 
stärker im Auslande betätigen. Es ist gar kein Zweifel, daß der politische 
und wirtschaftliche Nutzen, den das Erscheinen unserer Schiffe im Auslande 
hat, vielfach nicht voll eingeschätzt wird. Sie brauchen über diese Frage 
nur die Auslandsdeutschen zu hören, dann werden sie das voll bestätigt 
finden. Es ist aber nicht nur eine wirtschaftliche und politische Notwendig- 
keit, daß wir uns stärker im Auslande betätigen, sondern auch eine mili- 
tärische Notwendigkeit, daß wir eine stärkere Fühlung mit den ozeanischen 
Verhältnissen suchen. Wenn wir das in den letzten Jahren nicht in dem 
Maße getan haben, als wir es wohl gewünscht hätten, so hat das an Ver- 
hältnissen gelegen, die ich wohl nicht näher auseinanderzusetzen brauche, es 
beruht auf der Konzentration der Flotte in den heimischen Gewässern. Es 
handelt sich in bezug auf die Entsendung von Schiffen nach dem Mittel- 
meer nicht um eine spezielle Mission, sondern nur, wie beide Vorredner 
ausgeführt haben, um eine stärkere Betätigung unserer Flotte und Marine. 
Das Ziel unserer Schiffe, wie es nach dem Flottengesetz sein soll, ist 
noch nicht annähernd erreicht, und das hat sich gerade in der letzten Zeit 
besonders unangenehm fühlbar gemacht. Wir wollten im vorigen Jahre 
einen Teil des ostasiatischen Geschwaders nach der Südsee schicken; es lag 
ein Bedürfnis dazu vor. Wir haben es auch versucht, aber wir mußten 
die Schiffe zurückhalten. Bei der Entsendung des Kreuzers „Bremen“ hat 
die „Hapag“ uns in anerkennenswerter Weise unterstützt und sich dadurch 
den Dank aller Deutschen verdient, aber es war doch nicht erwünscht, daß 
wir schließlich Kadetten und Schiffsjungen mit Gewehren bewaffnen und 
zum Schutz der Deutschen in Haiti an Land schicken mußten. Wir haben 
damals gerade den Mangel einer stärkeren Auslandsvertretung besonders 
empfunden. Nun muß es die Aufgabe der nächsten Jahre sein, im Rahmen 
des Flottengesetzes das Ziel zu erreichen, welches das Flottengesetz an sich 
vorsieht. Die Redner aller bürgerlichen Parteien haben die Durchführung 
unseres Flottengesetzes für eine Notwendigkeit erklärt. Ich bin im Zweifel, 
wie der Abg. Noske im innersten Innern darüber denkt. Ich meinerseits 
habe allerdings die feste und volle Ueberzeugung, daß unser deutsches Volk 
durchdrungen ist von der politischen Notwendigkeit der Durchführung des 
bestehenden Flottengesetzes.“ (Lebhafter Beifall.) 
Abg. Dr. Heckscher (Fortschr. Vp.): „Auch ich glaube, daß das Sich- 
zeigen unserer Flotte im Auslande, in den deutschen Kolonien von großer 
wirtschaftlicher und politischer Bedeutung ist. Der Staatssekretär hat an- 
erkannt, daß die Entwicklung unserer Flotte sich auch in den nächsten Jahren
	        
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