Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

108 Has Hesche Reich und seine rinzeluen Glieder. (Februar 22. 23.) 
Westarp zeigt. Seine Behauptungen, daß die Sozialdemokratie die Diszi- 
plin im Heere zerstören wolle, sind unwahr. Wenn das immer und immer 
wieder wiederholt wird, so muß ich den, der das tut, für einen großen 
Lügner halten. Präsident Dr. Kaempf: Ich muß den Redner wegen dieses 
Ausdruckes zur Ordnung rufen. Abg. Noske (Sd. fortfahrend): Wir Sozial- 
demokraten kämpfen nur an gegen die Auswüchse des Kadavergehorsams. 
Es wird im Heere eine Disziplin aufrecht erhalten, die jede Menschenwürde 
in den Söhnen des Volkes niedertrampelt. Es gibt doch nichts Tolleres, 
als wenn man Soldaten zwingt, Spucknäpfe auszulecken. Die Sozialdemo- 
kratie ist vielmehr für eine vernünftige Disziplin und Unterordnung im 
Heere und in der Partei. (Zuruf des Grafen Westarp: Unter dem sozial- 
demokratischen Parteivorstand, jal) Ich halte den Grafen Westarp für einen 
viel zu intelligenten Mann, als daß er nicht wissen sollte, daß wir das 
uns Vorgeworsene nicht erstreben. Man wirft uns vor, daß wir neulich 
in ein schwebendes Gerichtsverfahren eingegriffen haben. Heute stellt sich 
ein Mitglied der konservativen Partei hin und tut dasselbe. Trotzdem das 
Urteil gegen Frau Rosa Luxemburg noch nicht rechtskräftig geworden ist, 
sucht man dagegen Stimmung zu machen. Man sollte vielmehr den Mut 
der Frau Rosa Luxemburg anerkennen, die bei dem blieb, was sie gesagt 
hat, trotzdem sie bei der Art unserer Justiz mit harter Verurteilung rechnen 
mußte. Da haben die Preußenbündler ganz anders gehandelt, die dann 
einfach gekniffen haben. (Zuruf des Abg. Ledebour: Der Kriegsminister hat 
auch geknissen!) Frau Rosa Luxemburg hat einfach erklärt, daß ihr nicht 
eingefallen sei, das zu tun, wofür man sie ins Gefängnis steckte. Wir 
bitten, die Vorlage an eine besondere Kommission zu überweisen. Die 
Herren, die sie in die Zaberner Kommission überweisen wollen, scheuen 
diese Materie wie das heiße Eisen. Die Regierung wird gern hinkommen 
und ihnen dann diese Puppe vorhalten. Wir müssen darauf dringen, daß 
in der Kommission der Gesetzentwurf so ausgestaltet wird, wie es im Inter- 
esse des deutschen Volkes liegt. — Präsident Dr. Kaempf: Wie mir eben 
gesagt wird, hat der Abg. Ledebour dem Kriegsminister vorgeworfen, daß 
er gekniffen hat. Ich ruse ihn deswegen zur Ordnung. (Abg. Ledebour: 
Ich werde das noch beweisen!) Das ändert an meinem Ordnungsrufe nichts. 
Kriegsminister v. Falkenhayn: Gegenüber der Bemerkung des 
ersten Redners, daß das Reichsjustizamt hier nicht vertreten ist, möchte ich 
bemerken, daß zwei Herren vom Reichsiustizamt mir hier bei dem schweren 
Kampfe, den ich zu führen habe, Beistand leisten. Ich möchte aber darauf 
hinweisen, daß ich auch nicht davor zurückschrecken würde, ihn allein zu 
führen. Das kann ich den Herren versichern. Ich möchte dann noch den 
warmen Dank der Heeresverwaltung den Vertretern der bürgerlichen Par- 
teien aussprechen, daß sie unter Wahrung des obersten Gesichtspunktes in 
der Armee, der Wahrung der Erhaltung der Disziplin, mit mir zusammen- 
arbeiten wollen, um die Erleichterungen, die wir hier für möglich halten, 
bald in Wirklichkeit treten zu lassen. (Lebhafter Beifall.) 
Die Vorlage wird an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern 
verwiesen. 
22. Februar. Generalleutnant v. Lindenau, Kommandeur der 
16. Division, bedeutender Militärschriftsteller, in Trier #f## 
23. Februar. Die „Bayerische Staatszeitung“ über die Ge- 
werkschaftsfrage: 
„Die Meinungsverschiedenheiten, die innerhalb der katholischen Kreise 
Deutschlands seit einiger Zeit aufgetreten sind, nehmen das Interesse der
	        
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