Das Dentsqhe Reich und seine eimelnen Glieder. (März 7.—10.) 113
den Vorrednern darin bei, daß die Kolonien über die jetzige Art der Etats-
verhandlungen hinausgewachsen seien. Darum miüsse die Gesetzgebung in
der Hand des Reichstags bleiben, aber die Selbstverwaltung den Kolonien
überlassen werden. Abg. Mumm (W. V.) spricht sich im wesentlichen freund-
lich über die bisherige Kolonialpolitik aus.
Am 9. März ergreift nach den Reden der Abg. Böhlendorff ((K.) und
v. Morawski (P.) der Staatssekretär Dr. Solf das Wort: „Ehe ich die
einzelnen Anfragen der Vorredner beantworte, die mannigfachen Anregungen
aus dem Hause vom Standpunkte der Verwaltung betrachte, bitte ich Sie,
einige Bemerkungen vorausschicken zu dürfen. Ich möchte Ihnen gern in
kurzen Worten die Eindrücke schildern, die ich auf meinen in den letzten
Jahren angetretenen Inspektionsreisen gewonnen habe, und auf Grund
deren ich schon Absichten und Pläne für die Zukunft hege. Wir müssen
unsere Kolonien in zwei verschiedene Klassen einteilen, in die tropischen
Kolonien und in Besiedlungskolonien. Zu der letzteren Kategorie gehört
zunächst nur eine, das ist Südwestafrika. Ich bin für mich selbst im Zweifel,
ob man vielleicht als eine Unterabteilung dazu auch noch die IJnsel Samoa
rechnen kann. An sich ist Samoa tropisch, und man würde die Insel nach
allgemeinen Grundsätzen zu den tropischen rechnen, aber seine ozeanische
Lage dämpft den tropischen Charakter. Die Bewohner haben schnelle Ge-
legenheit, sich in mittelländische Klimate zu begeben. Die Weißen können
auch nach Neuseeland und Australien reisen. Es gibt auch höhergelegene
Gegenden, wo das Klima angenehmer ist. Wenn man nun auch, abgesehen
von Samoa, Südwestafrika zunächst als einzige ausgesprochene Siedlungs-
kolonie ansprechen darf, so möchte ich doch den anderen Kolonien nicht ohne
wenteres jede Besiedlungsfähigkeit absprechen. Ich möchte nicht sagen, daß
die tropischen Kolonien in ihren Niederungen und Küstenstrichen nicht be-
siedelt werden können. All den Hochländern, sowohl in Kamerun wie in
Ostafrika, ist das eine gemeinsam, daß sie arm an Wasser sind. Die erste
Bedingung für die Erschließung dieser Hochländer ist also Wasser. Die
zweite Bedingung ist, daß die Regierung die Interessen der Eingeborenen
abwagt gegen die Interessen der Ansiedler. Drittens würde ich es für richtig
halten, daß die Farmen nach der Begrenzung zu vermessen sind, ehe sie in
Besitz genommen werden. Der Abg. Dr. Arendt hat sich mit einem Appell
an das deutsche Volk gewendet, daß doch noch ein großer Ueberschuß unserer
Bevölkerung da wäre, der in den Kolonien Aufnahme finden könnte. Es
in doch noch gar nicht nachgewiesen, daß wir einen Bevölkerungsüberschuß
daben und daß für ihn eine Besiedlungsnotwendigkeit vorliegt. Im übrigen
mochte ich mich auch jenen Ansiedlern, die die von mir erwähnten Be-
dingungen nicht erfüllen, nicht hindernd in den Weg stellen. Ich kann
Ihnen erklären, daß ich diesen Herren, die ich nicht entmutigen will, nicht
ungendwelche Schwierigkeiten bereiten will. Damit verlasse ich dieses wesent-
liche Gebiet der Siedelung und möchte Sie nur bitten, in dieser außer-
ordentlich wichtigen Frage konform mit der Verwaltung zu gehen. Das ist
eins der wichtigsten Probleme, das wir zu lösen haben, und es liegt auch
im Interesse des deutschen Volkes, daß wir uns jetzt darüber einig sind
und nicht irgendwelche falsche Hoffnungen erweckt werden. Südwestafrika
dat sich auf der Basis der Farmwirtschaft allmählich günstig weiter ent-
wickelt. Die wichtigste Aufgabe ist die Wassererschließung, und es ist von
l#r abhängig, in welchem Maße und in welchem Umfage diese Kolonie
zu einer wichtigen Siedelungskolonie für uns werden wird. Wie ich schon
oeben erwähnt habe, können wir die Ausgaben für diese Wassererschließung
mcht den einzelnen Farmern zumuten. Ihnen muß die Regierung dabei
zut Seite stehen. Die Landwirtschaftliche Bank in Südwestafrika, die ja
Guropäischer Geschichtskalender. LV. 8