Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

116 Das Dertsthe Reith und seine einzelnen Glieder. (März 7.—10.) 
salam demgegenüber zu langsam gegangen ist. Auch ich halte einen großen 
Hafen dort für sehr erwünscht und notwendig; wir können für eine solche 
Bahn mit einem kleinen Hafen nicht auskommen. Das Gouvernement hat 
ein Projekt bereits vorgelegt, das geprüft und in etwas vollendeterer Form 
später das Haus beschäftigen wird. Herr von Böhlendorff sprach auch von 
der Forstwirtschaft und stellte Kamerun als Ideal dafür hin. Ich stimme 
mit ihm darin überein, aber die Forstverwaltung muß sich darauf be- 
schränken, die vorhandenen Waldungen zu erhalten. Es wird für Europa- 
eine Zeit kommen, wo der Holzvorrat nachläßt; wenn die Preise nun auf 
eine solche Höhe gestiegen sind, daß das Kolonialholz konkurrieren kann, 
dann wird es Zeit sein, mit der Ausdehnung der Forsten vorzugehen. Dann 
werden wir unseren Haushalt mit Kolonialholz bereichern können. Die Ent- 
wicklung des Handels betrefsend. möchte ich den Ausführungen des Abg. Gothein 
noch etwas hinzufügen. Es ist schon betont worden, daß wir unmöglich bei 
Vergleichung dessen, was die Kolonien leisten, auf absolute Ziffern zurück- 
gehen können, sondern mit relativen rechnen müssen. Wenn wir das tun, 
gibt es kein Land auf der ganzen Welt, das in Handelsbeziehungen zum 
Mutterlande sich so gesteigert hätte wie unsere deutschen Kolonien. Diese 
Steigerung ist gerade dadurch möglich gewesen, daß wir keine Differenzie- 
rungen im Zollwesen gemacht haben, solche Differenzierung ist wirtschaft- 
lich und politisch unmöglich, weil sie uns mit anderen Nationen, die 
dort Handel treiben wollen, in Konflikt bringt. Eine Statistik, die auf die 
Jahre 1910 und 1911 sich erstreckt, ergibt diese Steigerung einwandsfrei. 
Also auch das spricht dafür, daß wir uns mit dem Gedanken, unsere Kolonien 
zu verkaufen, noch nicht ernstlich beschäftigen. Die Frage der Eingeborenen- 
kultur im Gegensatz zur Plantagenkultur ist auch von allen Rednern be- 
handelt worden. Schon im vorigen Jahr erklärte ich, daß ich der Ein- 
geborenenkultur durchaus sympathisch gegenüberstehe; ich habe dafür Maß- 
nahmen getroffen und werde sie weiter treffen; aber gerade in diesem 
humanitären und wirtschaftlichen Interesse bin ich auch für den Plantagen- 
bau. Die Eingeborenen würden nicht zu der Methodik kommen, in der 
wir Meister sind; der deutsche Plantagenbau muß auch den Eingeborenen 
die Wege zeigen. Ich habe vor einigen Wochen im Deutschen Landwirt- 
schaftsrat gesagt, die deutsche Landwirtschaft müsse auch für die tropische 
die Lehrmeisterin sein; es kommt nicht darauf an, was man pflanzt, ob 
Weizen, Mais, Bananen oder Kakao; es kommt darauf an, wie man pflanzt. 
Und darüber geben die jahrhundertelangen Erfahrungen der deutschen Land- 
wirtschaft den besten Aufschluß. Deswegen kann ich die Resolution der 
Sozialdemokraten, den Plantagenbau zu untersagen, nicht annehmen. Eher 
könnte ich mich schon mit dem Vorschlag der bürgerlichen Parteien ab- 
finden, den Plantagenbau nur soweit zuzulassen, als die Eingeborenen- 
interessen dadurch nicht geschädigt werden. Das soll geschehen. Tagelang 
hat uns in der Kommission die Arbeiterfrage und die Eingeborenenbehand- 
lung beschäftigt. Erst vor wenigen Monaten ist in Deutsch--Ostafrika die 
neue Arbeiter- und Gewerbeordnung herausgegeben worden. Ich zitiere für 
die Sozialdemokraten aus dem „Vorwärts"“, nicht aus den „Sozialistischen 
Monatsheften“, denn das erregt immer ihren Unwillen (Heiterkeit), also 
aus dem unanfechtbaren „Vorwärts“, daß die Bestimmungen über die An- 
werbung und Behandlung von Arbeitern im Vergleich mit anderen Kolo- 
nien keineswegs inhuman sind, daß die Verordnung formell eine gute ist. 
Die Regierung steht nicht hinter jedem Paragraphen des Gesetzes, sie ist 
bemüht, daß die Gesetze durchgeführt werden durch ihre Exekutive; daß in 
einem Lande, zweimal so groß wie Deutschland, die Exekutive gelegentlich 
hapert, weil zu wenig Beamte da sind, werden Sie als begreiflich zugeben,
	        
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