132 Das Heutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 13.)
sicht zu erreichen. Die Gesichtspunkte, nach denen dabei verfahren wird,
werde ich Ihnen kurz darlegen. Die Allerhöchste Ergänzungsorder vom
1. Januar 1897 ist allgemein bekannt. Nachdem Seine Majestät der Kaiser
und König am Neujahrstage 1913, wie mein Amtsvorgänger amtlich mit-
geteilt hat, das Offizierkorps erneut zu strenger Selbstzucht in dieser Be-
ziehung ermahnt hat, ist ein Fortschritt zu verzeichnen gewesen. Im Jahre
1913 sind im ganzen deutschen Heere einschließlich sämtlicher Offiziere des
Beurlaubtenstandes sechzehn Fälle vorgekommen. Da sich diese Zahl auf
mehr als 75000 Offiziere verteilt, so ist sie an sich gewiß gering, und sie
zeigt die Haltlosigkeit aller Behauptungen, von einer im Heerc herrschenden
Duellwut, aber sie ist insofern immer noch hoch und zu hoch, als ihnen
gleichzeitig ebensoviele Fälle vorhergegangen sind, die einen schweren Ver-
stoß wider die guten Sitten bedeuten. Es wird also nichts unversucht
bleiben, um die Duelle einzuschränken, das wird gewißlich geschehen. Aber
es wäre nach meiner Ueberzeugung verfehlt, das Heil in einem be-
sonderen militärischen Duellverbot zu suchen. Schon heute weiß der Fordernde
ganz genau, daß er wider göttliches und menschliches Recht verstößt. Wenn
er sich dennoch zum Duell entschließt, so tut er es, weil er im Rahmen
der nun einmal innerhalb seines Lebenskreises bestehenden Ehranschauungen
keinen besseren Ausweg findet. Daß wir auf dem Wege der Vergrößerung
seiner Gewissens- und Seelenqual durch ein militärisches Verbot zu besseren
Zuständen kommen würden, will mir wenigstens nicht einleuchten. Die
nächste sichere Folge eines solchen Verbotes wäre die Zunahme der Fälle
ungeregelter Selbsthilje oder des Prügelkomments, und im Heere das Wieder-
auftreten solcher Fälle, denn sie kommen ja jetzt überhaupt kaum vor. Es
ist der Standessitte zum Verdienste anzurechnen, daß sie auch in dem trau-
rigen Falle Metz, das nach meiner Ueberzeugung Schlimmere, die ungeregelte
Selbsthilfe, verhütet hat. Diese Ansicht wird freitich, wie ich ja auch eben
aus dem Widerspruch erfahre, nicht überall geteilt, immer wieder findet der
Gedanke Vertreter, daß die ungeregelte Selbsthilfe zwar an sich verwerflich,
aber dem Duell vorzuziehen sei. Diese Anschauung entspricht jedenfalls
nicht der des Offizierkorps, die unter allen Umständen der ungeregelten
Selbsthilfe vorbeugen will, und die sich damit unbedingt als höherstehend
charakterisiert als die andere Auffassung. Die Anschauung des Offizier-
korps hat unendlich viel mehr Unheil verhütet als angerichtet. Daß das
in der Oeffentlichkeit anders scheint, liegt einfach daran, daß jeder Duell-
sall öffentlich bekannt und ausgebeutet wird, während die guten Wirkungen
im stillen eintreten. In diesen Dingen handelt es sich nicht um die ein-
fache Frage: Was ist gut oder schlecht?, sondern um die Frage: Was ist
das geringere Uebel? Nur unter diesem Gesichtspunkte sind die im Offizier-
stand geltenden Anschauungen und Vorschriften zu verstehen. Die zweite
sichere Folge eines rein militärischen Duellverbots wäre bei den, wie ich
vorhin schon sagte, in weiten Rreisen, auch in bürgerlichen, für die ein
militärisches Verbot unwirksam wäre, nun einmal noch bestehenden Ehr-
anschauungen die Uebertretung des Verbots. Schon heute ist es jedem
Offizier klar, daß derienige, der ihn frevelhaft beleidigt, nicht im Heere
geduldet wird. Niemand kann sich einer Täuschung darüber hingeben, daß
beim Duell den Gegnern der gleiche Rat, gleich gute oder gleich schlechte
Rat, gegeben wird. Dem unglücklichen Offizier in Metz ist geraten worden,
den Ausgang des ehrengerichtlichen Verfahrens abzuwarten. Warum hat
er trotzdem den frevelhaften Beleidiger gefordert? Man wird vielleicht
antworten: Weil ein Duellzwang besteht, d. h. also wohl, weil der Be-
leidigte fürchten mußte, durch den Ehrenrat zur Verantwortung gezogen
zu werden, wenn er nicht sofort zur Vollziehung des Duells schritt. Sehr