Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

134 Das Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 13.) 
licher Gesittung.“ (Lebhafter Beifall r.; Lärm und Zischen l.; wiederholter 
Beifall r. 
|D ⁊ der Besprechung ist folgendes hervorzuheben: Abg. Dr. van Calker 
(Nl.) weist nach, daß in der Behandlung der Ehrensachen sehr häufig ein 
Triumph des Unrechts liege. „Wir wollen den Verhältnissen mit offenem 
Auge und ehrlichem Sinn entgegentreten und sagen: Der Gesetzgeber kann 
das Duell wohl verbieten, aber durch sein Verbot nicht beseitigen. Das 
ist meine Ueberzeugung. Der Gesetzgeber kann keine Probleme erledigen. 
Ich stimme mit den Vorrednern nicht vollkommen in ihrer grundsätzlichen 
Stellung zum Duell überein. Gewiß wollen wir alles tun, um die Duelle 
einzuschränken; aber ich sage: beseitigen können wir das Duell nicht, und 
wenn ich es heute beseitigen könnte, ich wollte es nicht. (Hört, hört! und 
Lebhafte Bewegung.) Ich sage das ganz ehrlich, seien Sie tolerant, wie 
ich es immer bin. (Heiterkeit.) Ich stehe auf diesem Standpunkte nicht 
etwa um deswillen, daß ich der Meinung sei, es gäbe verschiedene Ehren 
im Volke, nein, der Mann, der mit schwieliger Faust den Hammer führt 
oder hinter dem Pfluge geht, hat dieselbe Ehre im Herzen wie der, der 
des Königs Rock trägt. Da ist kein Unterschied. Ich verachte den, der 
hier differenzieren will, auch nach der Richtung, daß etwa nur dem Offi- 
zier, den Angehörigen bestimmter Stände die Geltendmachung der Ehre 
zusteht. Es ist deutsche Auffassung, vielleicht über die Grenzen des Vater- 
landes hinausgehend, daß man dafür einsteht, was man tut, und daß 
man sich nichts gefallen läßt. Darin liegt ein wichtiges Moment für die 
Entwicklung einer Persönlichkeit und eines ganzen Volkes. Ich lasse mir 
nichts gefallen" daran müssen wir festhalten, es stünde schlecht um unser 
Volk, nähmen wir davon Abstand. Ich hätte meine Anschauung vielleicht 
zurückbehalten können, ich habe es aber nicht gewollt. Wir können den 
Zweikampf nicht völlig entbehren, namentlich nicht in der Armee. Die 
Frage des ehrengerichtlichen Verfahrens gehört nicht zur Kompetenz der 
Gesetzgebung; diejenigen, die durch ihr Amt verpflichtet sind, hier bessernd 
vorzugehen, werden die Folgerungen schon ziehen aus Fällen, aus Er- 
fahrung, aus gesetzlichen Aenderungen, die sich im Laufe der Zeit ergeben. 
Der Gesetzgeber aber kann die Strafbestimmungen in Einklang bringen 
mit den ethischen Weltanschauungen des Volkes. Das ist eine schwierige, 
aber mögliche Aufgabe. Wer sich mit der Strafrechtsreform beschäftigt, 
weiß, daß es heute gerade die Tendenz der Reform ist, mehr als früher 
ethische Gesichtspunkte zur Wertung heranzuziehen. Die frühere Auffassung 
des Strafrechts war, nur das äußere Geschehen in Betracht zu ziehen. 
Der Zweikampf als solcher, als Tatbestand gefaßt, wurde mit der einheit- 
lichen custodia honesta belegt, ohne Rücksicht darauf, aus und mit welcher 
Gesinnung der einzelne zum Zweikampf schreitet. Das widerstreitet unsern 
heutigen Anschauungen, das können und wollen wir ändern. Unser An- 
trag geht dahin, daß in Fällen freventlichen Verschuldens der Zweikampf 
nicht mehr mit Festung, sondern mit Gefängnis bestraft und die Aberken- 
nung der bürgerlichen Ehrenrechte zugelassen wird. Wird das eine Reaktion 
sein? Ich bin überzeugt, ja, und zwar nicht, weil der Gesetzgeber es sagt, 
sondern weil er sich damit in Uebereinstimmung mit dem Rechtsbewußtsein 
des ganzen Volkes befindet, auch mit denen, die am Zweikampf an sich 
festhalten. Vielleicht gerade diesen geht es contre coeur, wenn in solchen 
Fällen auf Festung erkannt wird. Eine solche Bestimmung könnte auch in 
gewissem Sinne auf das ehrengerichtliche Verfahren zurückwirken. Wenn der 
Ehrenrat oder der Regimentskommandeur sich sagen muß, der Beleidiger 
werde voraussichtlich mit Gefängnis und Aberkennung der bürgerlichen 
Ehrenrechte bestraft werden, so würde er auch die klare Empfindung haben:
	        
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