Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

136 Bas Beutice Reich und seine einzelnen Glieder. (März 13.) 
sichten, sondern auch, weil wir die Ergebnisse der Untersuchung abwarten 
müssen. Unser Kampf richtet sich gegen den Duellzwang. Herr van Calker 
will das Duell nicht beseitigen, er will es nicht enibehren. Er will es also 
als Einrichtung des Heeres beibehalten. Das ist der Duellzwang. Wir 
schätzen bei aller sachlichen Gegnerschaft die militärische Offenheit des Kriegs- 
ministers. Er sollte aber auch den Mut finden und hier offen erklären, 
wie die Dinge liegen. Er sollte sich nicht mit Redewendungen von einem 
sormalen Duellzwang um die Sache herumdrehen. Er sollte klar zugeben: 
„Wir haben den Duellzwang, und ich gedenke nichts zu tun, um ihn zu 
beseitigen!“ Der Reichskanzler ist mit verantwortlich, und wir können uns 
mit dieser Haltung des Reichskanzlers nicht einverstanden erklären. Der 
Kriegsminister kann die Broschüre des Obersten Spohn nicht mit einer 
Handbewegung abtun; denn alle Veröffentlichungen aktiver Offiziere be- 
dürfen der Sanktion der Militärbehörde, sie trägt also auch die Verant- 
wortung. Die Offiziere warten gar nicht den Spruch des Ehrengerichts 
ab. Das hat ein Kommissar des Kriegsministers in der Kommission offen 
zugegeben, und der Kriegsminister wird es nicht bestreiten können. Ueber- 
raschend und befriedigend war die Feststellung des Kriegeministers, daß der 
Ehrenrat im vorliegenden Falle die Beteiligten aufforderte, bis zum Spruch 
des Ehrengerichts zu warten. Das ist neu und eine vernünftige Idee. 
Das Ehrengericht muß ebenso schnell und rasch arbeiten wie der Ehrenrat. 
Dann wird das TDuell verschwinden. Der Redner bespricht den Fall des 
Leutnants v. Brandenstein von den 2. Gardeulanen. Er war ein frommer 
Christ und wurde von Kameraden gezwungen, sich zum Duell zu äußern. 
Er erklärte, er sei kein Freund des Zweikampfes. Er wurde dann ge- 
zwungen, aus dem Offizierkorps auszuscheiden. Der Kaiser sagte einmal: 
Nur ein guter Christ kann ein guter Soldat sein! Hier hat man einen 
Mann, der aus seiner christlichen Ueberzeugung kein Hehl machte, ver- 
abschiedet. Die Beschlüsse der Duellkommission werden abschreckend wirken; 
wenn der Duellgeist aus dem Offzierkorps ausgerottet wird, dann wird 
er auch aus dem ganzen Volke verschwinden.“ (Beifall I.) Preußischer 
Kriegsminister v. Falkenhayn: „Ich muß bestreiten, daß die Verabschie- 
dung des Leutnants v. Brandenstein durch seine Anschauungen über die 
Duellfrage veranlaßt worden ist. Allerdings gab dieses Thema Anlaß zu 
einer Reihe von Fragen, die der Oberst an den Leutnant v. Brandenstein 
richtete, wobei sich ergab, daß dem Leutnant die klare Entschlußfähigkeit 
fehlte, die für einen Osfsizier notwendig ist. In einem Briefe äußerte er 
sich dann wieder in wesentlich anderm Sinne als dem Obersten gegenüber. 
Dadurch wurde der Oberst in seinem Urteil über Herrn v. Brandenstein 
nur noch bestärkt. Lediglich das ist der Grund, weshalb Herr v. Brandenstein 
nicht für geeignet gehalten wurde, länger im Heere zu verbleiben. Es ist ihm 
niemals ein Vorwurf gemacht worden über seine persönliche Ehrenhaftigkeit. 
Ein solcher Zweifel hat auch bei seinen Vorgesetzten keinesfalls bestanden.“ 
In der weiteren Debatte kommt unter anderm die Frage der schla- 
genden Studentenverbindungen zur Sprache, wobei der Präsident wieder- 
holt mit Ordnungsrufen wegen beleidigender Aeußerungen des sozialdemo- 
kratischen Redners eingreifen wuß. Als der Abg. Dr. Blunck nochmals die 
Frage stellt, wie sich der Kriegsminister zum Fall des Leutnants v. Branden- 
stein stelle, antwortet Kriegsminister v. Falkenhayn: „Diese Frage ist be- 
reits beantwortet durch viele Erklärungen vom Regierungstisch, inebeson- 
dere durch die Erklärung meines Amtsvorgängers in der Budgetkommission 
im April 1913. Ledebour [Sd.: Das ist Drückebergerei! Präsident Dr. Kaempf 
ruft den Abg. Ledebour zur Ordnung.) Es wird mir schwer, danach weiter 
zu sprechen, aber nach dem, was der Herr Präsident gesagt hat, bleibt mir
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.