Bas Vernsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 26.) 185
mission zur Vorbereitung von Anträgen zur Lösung dieser Frage
vorgelegter Gesetzentwurf verlangt in Fällen, wo der Zweikampf
freventlich verschuldet worden ist, für den Schuldigen an Stelle der
Festungshaft Gefängnisstrafe von gleicher Dauer, daneben unter
Umständen Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Der be-
antragte Gesetzentwurf wird nach der ersten Beratung sogleich in
zweiter Lesung ohne Diskussion einstimmig angenommen.
26. März. (Reichstagsersatzwahl.) Bei der Stichwahl
im 14. sächsischen Wahlkreise Borna-Pegau wurden abgegeben für
General v. Liebert (Rp.) 12731 und für Ryssel (Sd.) 14 321 Stimmen.
Der Ausgang der Wahl wird darauf zurückgeführt, daß viele von
den Wählern des bei der Hauptwahl aufgestellten nationalliberalen
Kandidaten in das sozialdemokratische Lager übergegangen waren.
26. März. Beginn Aufsehen erregender Erörterungen über
einen angeblichen Privatbrief des Kaisers.
Die „Hamburger Nachrichten“ brachten unter der Ueberschrift „Miß-
brauch eines Privatbriefes“ einen Artikel, dessen wesentlicher Inhalt fol-
gender ist:
„Jüngst teilte die „Rheinisch-Westfälische Zeitung“ mit, daß im Nach-
laß des verstorbenen Breslauer Fürstbischofs KRardinals Kopp sich ein Brief
des Kaisers aus dem Jahre 1901 befinde, gerichtet an die verwitwete Land-
gräfin Anna von Hessen, die im Mai 1836 geborene Tochter des Prinzen
Karl von Preußen, die im Jahre 1901 zum Katholizismus übertrat. Der
Kaiser habe als Oberhaupt des Hauses, dem die Landgräfin entstammt,
seiner Ansicht über diesen Glaubenswechsel Ausdruck gegeben, und in katho-
lischen Kreisen sei es längst bekannt, daß der Brief an Kardinal Kopp
weitergegeben sei. Gerade an ihn, weil die Landgräfin in Kopps ehe-
maligem Sprengel Fulda ihren Uebertritt vollzogen hat. Allerdings
jei ein solcher Brief geschrieben, bestätigt die „Schlesische Volkszeitung“, habe
siuch auch im Besitz Kardinal Kopps befunden, und ihr sei der Inhalt seit
Jahren bekannt; Katholiken hätten seine Veröffentlichung nicht zu fürchten,
ob damit freilich anderen Kreisen gedient wäre, halte sie für fraglich. Der
„Aachener Volksfreund“ weiß sogar „nach äußerst zuverlässigen Informa-
tionen“ den wesentlichsten Satz aus dem Brief mitzuteilen, der lauten soll:
„Die Religion, zu der Du übergetreten bist, hasse ich.“ Daß der RKaiser
sehr religiös ist, wissen wir und ehren wir alle. Daß er an seinem evan-
gelischen Glaubensbekenntnis treu hängt, ist für ihn als Oberhaupt der
vreußischen evangelischen Landeskirche selbstverständlich. Wie der Kgaiser
über Glaubenswechsel denkt, ward nach dem Uebertritt einer seiner Schwe-
stern zu einer anderen Rirche bekannt. Im gleichen Sinne mag er an die
Landgräfin von Hessen geschrieben haben, die an der Schwelle des Pfalmisten-
alters noch ihr Bekenntnis ablegte, um sich als Greisin in ein neues zu
gewöhnen. Das aber ist ausschließlich eine häusliche und private Rund-
gebung, die sich der Oeffentlichkeit entzieht und auch niemanden interessieren
lann. Hier schrieb und urteilte der Kaiser lediglich als Mitglied und Ober-
haupt des Hohenzollernhauses, dessen Traditionen er wahrnimmt. Selbst
wenn der vom „achener Volksfreund“ in Umlauf gesetzte Satz in dem
Brief gestanden hätte, so würde das nichts für die Welt bedeuten und nie-