188 Vas Bentseze Reich und seine einzelnen Glieder. (März 27.
visionen als notwendig herausgestellt habe. Dieser Vorwurf besteht bis zu
einem gewissen Grade zu Recht, aber ich bin außerstande, die Besetzung
anders zu begründen, als es geschehen ist. Das ist bedauerlich, ich kann
es aber nicht ändern. Die Sozialdemokraten befolgen bei der Beratung
des Etats der direkten Steuern eine ganz eigenartige Taktik. Sie müßten
bei der Betrachtung unserer Steuergesetze über die direkten Steuern nach
jeder Richtung hin in ein Loblied auf unsere Gesetze ausbrechen, weil ihre
Tendenz den Forderungen Rechnung trägt, die die Partei an sich erhebt,
indem die Reichen ganz besonders belastet werden, die Armen weniger.
Unser Einkommensteuergesetz ist progressiv aufgebaut; die Steuer steigt von
⅜ auf 5 Prozent. Wenn man alles zusammenaddiert, Kirchensteuer, Kom-
munalsteuer usw., so kommt man bis auf 20 Prozent. Man sollte also
annehmen, daß hier wenig Angriffspunkte vorhanden sind. Man kehrt des-
halb die Angriffsflächen um. Man sagt zunächst, daß nur 48 Prozent der
Bevölkerung zur Steuer veranlagt sind, es herrschten betrübende Verhält-
nisse in unserem Vaterlande, daß 48 Prozent der Bevölkerung überhaupt
nur ein Einkommen von über 900 Mark hätten. Es ist niemals behauptet
worden, daß wir ideale Verhältnisse bei uns haben; es muß vieles besser
werden. Die Sozialdemokratie weiß aber ganz gut, daß unter den übrigen
52 Prozent zahllose Personen sind, die in ganz guten Verhältnissen leben.
Sehr richtig! rechts.) Da sind zunächst alle diejenigen, welche ale Haus-
söhne wo anders leben, z. B. Studierende; dann aber auch alle diejenigen,
welche an sich weniger als 900 Mark verdienen, aber im elterlichen Hause
wohnen, den Eltern das Geld abliefern, und wo infolgedessen ganz behag-
liche Verhältnisse in der Familie sind. Nach dem Einkommensteuergesetz
wird nur das Einkommen der Ehefrau dem Einkommen des Ehemannes
zugerechnet, nicht aber auch das Einkommen der Kinder. Das trifft be-
sonders bei zahllosen Arbeiterfamilien zu, diese leben infolgedessen in ganz
netten und behaglichen Verhältnissen. (Zuruf bei den Sd.: Nein!! Ja-
wohl, ich weiß das ganz genau. Alle diese Personen fallen nicht unter die
18 Prozent: die Verhältnisse sind also gar nicht so schlecht, wie es viel-
leicht scheint. Nun sagt die Sozialdemokratie, die großen Einkommen seien
erheblich mehr gestiegen als die kleinen, und infolgedessen wird die Ver-
elendungstheorie wieder neu aufgefärbt. Auch gestern hat der Abg. Stroebel
mit dieser Beweisführung operiert. Mie war aber sein Material? Er hat
mit einer Vermögensstenerstatistik operiert, obgleich wir ein obligatorisches
Vermögensverzeichnis noch gar nicht haben. Aus unserer Einkommenstener-
statistik ergibt sich aber, daß die Zunahme nach oben hin immer kleiner
wird. Ich war erstaunt, wie der Abg. Stroebel mit der Zunahme von
Vermögen operiert. Allmählich wurde mir klar, daß er seine Schluß-
solgerungen auf einem Buche von Martin aufbaut, das nur auf Vermutungen
beruht. (Abg. Stroebel: Es war das amtliche Material, die amtliche Er-
gänzungssteuerstatistik.) Ich kann nur sagen, daß die Zahlen nicht zu-
treffen. Es ist leicht, zu sagen: die Einkommensteuer belastet nur die kleinen
Leute und weniger die kolossalen Vermögen, die im Interesse der Allgemein-
heit zu verwerfen sind. Man findet aber gerade, daß die kleineren Ein-
nahmen eine erhebliche Steigerung aufweisen und die Möglichkeit gewähren,
Ersparnisse zu machen. Aus der Statistik ergibt sich, daß die Sparkassen-
bücher von 5,6 Millionen im Jahre 1890 auf 13,8 Millionen im Jahre
1912 gestiegen sind. Von diesen 13,8 Millionen Sparkassenbüchern hatten
nur 4,1 Millionen Einlagen von über 600 Mark. In Königsberg gehören
50 Prozent der Spareinleger zu den ärmeren Klassen. Unter diesen ist
ledoch ein großer Prozentsatz mit Einlagen von 3000 bis 10000 Mark.
So schlecht sind die Verhältnisse also bei den Leuten mit geringerem Ein-