Des Dentsqhe Reich und seine einzeluen Glieder. (April 4.) 193
Einige Tage darauf (unter dem 8. April) schreibt die „Norddeutsche
Allgemeine Zeitung““ „Zu dem unüberlegten Vorwurf einiger Blätter,
unsere Mitteilung über den gefälschten Kaiserbrief hätte acht Tage früher
erscheinen müssen, möchten wir bemerken, daß es gar nicht in der Macht
der amtlichen Stellen lag, eine schnellere Aufklärung zu schaffen. Zunächst
war nicht bekannt, ob das Original des Briefes an die Frau Landgräfin
von Hessen überhaupt noch existierte und wo es sich besand. Erst nachdem
der Brief aus dem Nachlasse des Kardinals Kopp an die Adressatin zurück-
gelangt war, bestand die Möglichkeit, die über seinen Inhalt umlaufenden
Angaben als freie Erfindungen einwandfrei festzustellen und zu kennzeichnen.
Dies ist noch am selben Tage geschehen, an dem der Reichskanzler eine
beglaubigte Abschrift des Originals erhalten hatte.“
Weiter bemerkt noch der Berliner Korrespondent der „Kölnischen
Zeitung“: „In manchen Zeitungsartikeln zur Fälschung des kaiserlichen
Privatbriefes an die Landgräfin von Hessen ist gefragt worden, weshalb
denn gegen den Fälscher nicht gerichtlich vorgegangen worden sei oder
weshalb nicht noch gerichtlich vorgegangen werde. Die „Norddeutsche All-
gemeine Zeitung“ hat über diesen Punkt allerdings geschwiegen. Ich habe
aber Grund zur Annahme, daß man an den Stellen, die es angeht, zwar
aus Rücksicht auf den Frieden zwischen den Bekenntnissen die Erörterungen
in der Presse nicht zu verbreitern wünscht, jedoch darum keineswegs gewillt
ist. die in die Oeffentlichkeit gebrachten Fälschungen des kaiserlichen Schreibens
auf sich beruhen zu lassen. Die „Gewährsmänner“ der gefälschten, richtiger
der erfundenen Stellen werden mit der ihnen von interessierter Seite an-
empfohlenen Taktik des Stillschweigens auf die Dauer schwerlich aus-
klommen.“
Bald darauf wird von einem Teil der Verbreiter der Nachrichten
über den Inhalt des Kaiserbriefs zugegeben, daß sie über Inhalt und Wort-
laut des Briefs von ihren Gewährsmännern getäuscht worden seien.
4. April. Veröffentlichung des neuen Postscheckgesetzes.
Danach wird die Stammeinlage auf 50 herabgesetzt. Die Ge-
bühren für eine Einzahlung mittels Zahlkarte betragen künftig 5 bei
Beträgen bis 25./á und 100 für alle höhern Beträge. Die Ueberweisungs-
und die Barauszahlungsgebühr sind unverändert geblieben. Dagegen ist
die Zuschlaggebühr von 70„K. weggefallen. Sämtliche Neuerungen treten am
1. Juli in Kraft.
Im Reichspostgebiet ist die Zahl der Kontoinhaber im Postscheck-
verkehr Ende März 1914 auf 89673 gestiegen. (Zugang im Monat März
1140.: Auf diesen Postscheckkonten wurden im März gebucht 1585 Millionen
Mark Gutschriften und 1594 Millionen Mark Lastschriften. Das Gesamt-
gulhaben der Kontoinhaber betrug im März durchschnittlich 217,2 Millionen
Mark. Im Verkehr der Reichspostscheckämter mit dem Postsparkassenamt
in Wien, der Postsparkasse in Budapest, der belgischen und luxemburgischen
Postverwaltung sowie den schweizerischen Postscheckbureaus wurden 8,3 Mil-
lionen Mark umgesetzt, und zwar auf 3470 Uebertragungen in der Rich-
tung nach und auf 17530 Uebertragungen in der Richtung aus dem
Auslande.
4. April. Die Frage, ob der Reichstag geschlossen oder ver-
tagt werden würde, wird in der Presse lebhaft erörtert. Die „Nord-
deutsche Allgemeine Zeitung“ beschäftigt sich mit dieser Frage und
verteidigt die Regierung gegen den Vorwurf, daß sie den Reichstag
Europaischer Geschichtskalender. LV. 13