D#s Deelsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 5.—12.) 239
Wenn mich in dieser Gegenwartsmisere etwas tröstet, dann ist es der Blick
auf die Bewegung, die jetzt durch die deutsche Jugend geht. Sie fühlt,
daß wieder ein Dämon an der Arbeit ist, das Haus, in dem sie geboren ist,
und das einst alles schützen soll, was das Leben lebenswert macht, zu unter-
wühlen, ihr die Kraft auszusaugen, deren sie bedarf, um einst den Herd
der Väter zu verteidigen und die Ideale, die seit Jahrhunderten die deutschen
Herzen erfüllt haben, hämisch in den Staub zu ziehen. Es ist das, m. H.,
der Dämon (Rufe bei den Sd.: der echt preußischen Leute! — Stürmische
Oeiterkeit I.) des versponnenen Weltbürgertums, des unklaren Internationalis=
mus und des Materialismus. Die Jugend beginnt sich dagegen zu wehren,
sie macht ihr Naturrecht auf Freuden an dem herrlichen Vaterland, in dem
sie geboren ist, geltend, gegen alle Versuche, es ihr durch systematische Ver-
unglimpfung zu verekeln. Sie zieht hinaus ins Freie, in Feld und Wald,
zum Wettbewerb, zum Sport, zu Kampf und Spiel, um Körper und Seele
zu stärken gegen die Versuche, sie durch Betonung einseitigsten geistigen
Fortschrittes zu benebeln und zu verweichlichen. Und sie verlacht die falschen
Propheten der internationalen Verbrüderung auf Kosten der Stärke des
eigenen Vaterlandes. Endlich, m. H., findet sie sich auf ihrem Wege zu. den
alten deutschen Idealen, zur Armee; und diese Jugend sollten mir ver-
stoßen? Wenn wir sie nicht hätten, müßten wir sie schaffen; Gott sei Dank
haben wir sie aber in ihrer Gesundheit und Frische, in ihrem nationalen
Fühlen und Denken, in ihrem Streben nach Idealen gehört sie zur Armee,
wie die Armee zu ihr gehört.“
Daran schließt sich im Lauf der weiteren Verhandlung ein weiteres Rede-
duell zwischen dem Kriegsminister und dem Abg. Dr. Müller-Meiningen,
worauf das Gehalt des Kriegsministers bewilligt wird und die Debatte zu
Einzelfragen übergeht. Am 9., 11. und 12. werden diese Verhandlungen zu
Ende geführt. Ueber die Forderung wegen des Neubaus des Militärkabinetts
wird erst am 13. Mai namentlich abgestimmt. Die Forderung wird mit
268 gegen 75 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Mährend der
Spezialberatung des Militäretats am 11. Mai bringt der Abg. Dr. Lieb-
knecht die Rüstungslieferungen zur Sprache und zieht hierbei aufs neue
den Kruppprozeß in die Debatte. Er führt aus: „Das deutsche Rüstungs-
kapital repräsentiert mindestens eine halbe Milliarde. Bei der Firma Krupp
sitzen neben früheren hohen Staatsbeamten zahlreiche frühere hohe Offiziere
der Armee und Marine in der Verwaltung und im Aufsichtsrat; ebenso
steht es in den anderen deutschen Großfirmen dieser Art. Alle diese Firmen
sind international versippt. Krupp steht in Kartell mit den Skodawerken,
die wiederum auch mit englischem und französischem Kapital arbeiten; wir
haben es mit einem internationalen Kanonentrust zu tun. Krupp steht mit
den russischen Putilowwerken seit langem in geschäftlicher Verbindung. Für
diese Behauptungen kann unter anderem das Zeugnis der „Deutschen Tages-
zeitung“" herangezogen werden. Andererseits sprechen dafür die amtlichen
Mitteilungen, die über die Putilowaffäre im französischen und englischen
Parlament gemacht worden sind. In der Ehrhardtschen Fabrik sitzen im
Aufsichtsrat der Abg. Paasche und der jetzige preußische Minister v. Loebell.
Bei solchen Konnexionen kann es solchen Werken nicht fehlen. In diesem
Jahre hat eine Einigung zwischen Krupp und Ehrhardt nach so heftigem
jahrelangen Zwist stattgefunden; nach dem Sturm ist Ruhe eingetreten. Der
Löwekonzern umfaßt außer einigen deutschen auch belgische, französische,
italienische Firmen; enge Beziehungen bestehen zwischen ihm und den
Sprengstoffabriken, namentlich zur Köln-Rottweiler Pulverfabrik und da-
mit zum Nobeltrust. Ferner ist der Löwekonzern eine enge Verbindung
mit russischen Kriegsmaterialgesellschaften eingegangen. So umfassen diese