Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

240 Das Dentsqhe Reiqh und seine einzelnen GSlieder. (Mai 5. — 12.) 
Truste die ganze Erde, der Völkermord ist in Entreprise gegeben. Als 
Krönung des Gebäudes muß die Beteiligung der Deutschen Bank angesehen 
werden; im Löwekonzern spielt die Hauptrolle die jetzige 300-Millionenbüank 
der Disconto-Schaaffhausen-Gesellschaft. Der Sprengstoffring ist ebenfalls 
unter den Auspizien der Nobeltrust-Company in London auch völlig inter- 
national geworden. Der Nobeltrust ist in jedem Lande der Welt in allen 
fünf Erdteilen vertreten. Leider läßt sich in Deutschland die Frage nicht 
beantworten, in welcher Höhe sich Aktien, Anteil- und Gutscheine von diesen 
Firmen in den Händen von Angehörigen der Bureaukratie, von Parlamen- 
tariern, Zeitungsbesitzern usw. befinden; es ist leider nicht möglich, fest- 
zustellen, in welchem Umfange unsere Staatsverwaltung und auch unsere 
Parlamente an dem Rüstungskapital beteiligt sind. In anderen Ländern 
ist der Schleier, der darüber liegt, etwas leichter zu lüften. Von einigen 
Offizieren und höheren Beamten wissen wir ja, dab sie von ihren Staats- 
stellen zu dieser Privatindustrie hinüberwechseln. Die Gefahr liegt besonders 
darin, daß die Möglichkeit dieses Avancements korrumpierend wirken muß 
oder kann auf die Tätigkeit der Herren, solange sie sich noch im Amte be- 
finden.“ Der Redner führt noch verschiedene Einzelheiten aus diesem Ge- 
biet an und wendet sich dann zum Prozeß Krupp. Aus seinen Ausführungen 
ist folgendes bemerkenswert: „In den verschiedenen Krupp-Prozessen be- 
schränkten sich die Gerichte mit peinlicher Aengstlichkeit auf das, was zur 
Aburteilung stand. Festgestellt wurde aber trotzdem, daß das Brandtsche 
Bureau eine wichtige Bestechungsfabrik gewesen ist, die seit Jahren bestand. 
Wie der Staatsanwalt des letzten Prozesses durch die Beweiserhebung 
glaubte annehmen zu dürfen, sind durch dieses allein in den letzten Jahren 
1500 Geheimberichte nach Essen gesandt worden. Der Staatsanwalt meinte, 
daß das ganze Material eine Uebersicht über die gesamte Tätigkeit des 
Kriegsministeriums, der Feldzeugmeisterei und der Artillerieprüfungs- 
kommission auf dem Gebiete der Beschaffung von artilleristischem Material 
gewesen ist. Die Firma Krupp war also eingehend über den ganzen 
artilleristischen Geschäftsbetrieb unterrichtet. Es wurde alles bestätigt, was 
ich im Reichstage gesagt habe. Ich behaupte, daß Brandt auch versucht 
hat, in der Marineverwaltung eine intensive Tätigkeit zu entfalten. Man 
hat allerdings unter Bezugnahme auf die Dreimarkbestechungen versucht, 
die Angelegenheit ins Lächerliche zu ziehen. Man merkt die Absicht, und 
man wird verstimmt. Ein Regierungsvertreter mußte schließlich hier im 
Reichstage, wenn auch nur in einem Relativsatz, zugeben, daß zwei Beamte 
wegen Indiskretion belangt werden mußten. Daß nicht alle ermittelt worden 
sind, das hat der Lindeprozeß bewiesen. Bei der Kruppsache handelt es sich 
um keinen Vorgang an der Peripherie des Staatswesens und der Regierung, 
sondern um eine Kernfäule, um unser Kriegsministerium und die Marine- 
verwaltung. Es sind Leute dabei im Spiele, die unmittelbar an der Zentrale 
gesessen haben. Es ist von der Energie gesprochen worden, mit der der 
damalige Kriegsminister beim Bekanntwerden einschritt. Man hat es so 
hingestellt, als ob ich beabsichtigt hätte, die Leiter des Kriegsministeriums zu 
treffen. Das war nicht der Fall. Ich bedauere, daß die gleiche Energie nicht 
auch in der Marineverwaltung stattgefunden hat. Bei der ganzen Angelegen- 
heit handelte es sich auch nicht um einen untergeordneten Beamten wie Brandt.“ 
Redner weist noch auf weitere Einzelheiten hin, die er als den Willen, die 
Bereitschaft zur Korruption, bezeichnet. „Ich erinnere auch an die große 
Kampagne, die alsbald nach dem Urteilsspruch gegen den Oberstaatsanwalt 
vorging, weil er nicht ganz so wollte wie die Kruppinteressenten. Es ging 
damals eine wüste Hatz gegen den Vertreter der Anklage los. Mein Aus- 
schluß aus der Rüstungskommission hat das Werk würdig gekrönt, nicht
	        
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