Das Dertsqhe Reit und seine einzelnen Glieder. (Mai 14.) 283
annähernd die Beachtung gefunden hat, wie der Widerhall, den die Kampagne
bei uns erweckt hat. M. H., ich kann nur wiederholen, was der Reichs-
kanzler vor einem Jahre hier gesagt hat. Wir kennen keine realen Gegen-
sätze, die einem friedlichen Nebeneinanderleben der beiden Nachbarreiche
Rußland und Deutschland hinderlich wären; auch handelspolitische Schwierig-
keiten, welche in nächster Zeit entstehen könnten. werden sich bei gegenseitigem
guten Willen schlichten lassen. Um so verwerflicher scheint es, einen künst-
lichen Antagonismus durch die Erregung von Volksleidenschaften hervor-
zurufen. In unserer übernervösen Zeit mit den Einwirkungen der Presse
auf die Volksseele ist das ein Spielen mit dem Feuer. Der Zustand einer
derartigen gegenseitigen Gereiztheit ist nicht geeignet, eine ersprießliche
Führung der laufenden Geschäfte zu fördern. Ich hoffe aber, daß es den
Bemühungen der beiderseitigen Regierungen gelingen wird, diesen gefähr-
lichen Strömungen einen Damm entgegenzusetzen. Der Gedanke, daß die
Interessen beider Länder durch ein freundnachbarliches Zusammenleben am
besten gewahrt werden, ist gesund und durch die Geschichte bewährt. Ich
habe Grund zu der Annahme, daß auch die russische Regierung ungeachtet
der erwähnten Treibereien an diesem freundnachbarlichen Zusammenleben
festzuhalten gewillt ist.
Was die in unserer Presse bereits vielfach diskutierten Verhand-
lungen über gewisse den Orient näher betreffende Fragen anlangt, so
bin ich leider nicht in der Lage, Ihnen darüber heute weitere Mit-
teilungen zu machen, weil diese Verhandlungen noch nicht mit allen Be-
teiligten abgeschlossen sind.
Zu dem, was vor einem Jahr über die Verhandlungen mit Eng-
land hier gesagt worden ist, habe ich heute nichts hinzuzufügen. Diese
Verhandlungen werden in demjenigen freundschaftlichen Geist geführt, der
auch sonst unsere Beziehungen zu England beherrscht. Wir haben auch
Verhandlungen mit Frankreich gepflogen, und wenn dieselben auch mehr
technischer und finanzieller Natur sind, so glaube ich es doch auch politisch
begrüßen zu können, wenn wir mit unserem westlichen Nachbarn zu einer
derartige Reibungsflächen ausschließenden Verständigung gelangen. Alle
diese Verhandlungen stehen in einem gewissen Zusammenhang. Zetzt schon
Teile des Verständigungswerks vorweg der Oeffentlichkeit zu übergeben,
dürfte nicht im Interesse der Sache sein.
Die Unsicherheit der Lage in Mexiko hat eine weitere Verschärfung
durch den Konflikt mit der Regierung der Vereinigten Staaten erfahren.
Wirtschaftliche und persönliche Interessen deutscher Staatsangehörigen in
Mexiko sind leider durch den dortigen Bürgerkrieg in ernste Mitleidenschaft
gezogen worden. Für die persönliche Sicherheit unserer in Mexiko lebenden
Landsleute haben wir nach Möglichkeit Vorsorge getroffen, und unsere Be-
mühungen sind glücklicherweise bisher von Erfolg gekrönt gewesen. Was
die wirtschaftlichen Schädigungen anbetrifft, so werden wir zu dieser Frage
Stellung nehmen müssen, sobald die Ruhe in Mexiko wieder hergestellt ist.
Die vorbereitenden Schritte haben wir bereits getan. Wir haben es freudig
begrüßt, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika,
mit der auch wir fortgesetzt die besten Beziehungen unterhalten, die Ver-
mittlung der drei großen südamerikanischen Republiken anzunehmen sich
entschlossen hat. Die Verhandlungen sollen am 18. in Niagara stattfinden.
Ob der Erfolg das gewünschte Resultat haben wird, müssen wir abwarten.
Einstweilen tobt leider der Bürgerkrieg in Mexiko mit derselben Schärfe
fort. Mit Argentinien, Chile und Brasilien, die die vorerwähnte
Friedensmission auf sich genommen haben, sind wir in letzter Zeit wieder-
holt in Berührung gekommen. Zch gedenke mit Dank des freundlichen