Das Dentsqhe Reith und seine einzelnen Glieder. „Mai 11.) 285
wartungen, die man auf den europäischen Schiedsgerichtshof im Haag ge-
setzt hatte, haben sich offenbar nicht erfüllt. Es hat sich gezeigt, daß es in
Konfliktfällen schwer ist, die Beteiligten zu bestimmen, sich an ihn zu
wenden. Das Nationalitätenprinzip ist zudem immer mehr zum Durch-
bruch gekommen. Mit der Besetzung von Tripolis ist nun fast die ganze
Nordküste Afrikas in europäische Hände geraten. Gegenüber den Bestrebungen
anderer Mächte, sich in Kleinasien Einflußzonen zu schaffen, muß unser Be-
streben sein, dafür zu sorgen, daß wir wie die anderen Völker uns dort
frei entfalten können. England hat dabei im allgemeinen die Sicherung des
Seeweges nach Indien im Auge. Unsere Interessen in der Türkei sind nur
wirtschaftlicher Natur. Der Dreibund ist eine Notwendigkeit, insbesondere
ist das enge Verhältnis zwischen Deutschland und Oesterreich geradezu eine
Lebensbedingung für beide Völker. Aehnlich ist es zwischen Italien und
Oesterreich-Ungarn, dieses Verhältnis kann auch nicht durch Vorgänge ge-
stört werden, wie sie in letzter Zeit vorgekommen sind. Es ist ganz wert-
voll, wenn wir einmal mit England zu einem Abkommen gelangen. Es
ist aber irrig, wenn man immer von dem wirtschaftlichen Gegensatz zwischen
Deutschland und England spricht. Beide Länder haben viel mehr gemein-
same Ziele. Sie sind wirtschaftlich voneinander sehr abhängig. Die Frage
der Selbständigkeit des Papsttums muß doch endlich einmal geordnet werden.
Bei der Ausübung des österreichischen Vetos anläßlich der letzten Papst-
wahl ist Deutschland absolut unbeteiligt gewesen. Dem Dreiverband wird
es nicht gelingen, die in seinem Schoße vorhandenen historischen und
Rassengegensätze zu unterdrücken, namentlich sind die weltpolitischen Gegen-
sätee zwischen England und Rußland unüberbrückbar. Durch die Triple-
entente ist aber Deutschland jetzt außer im Osten und Westen auch in der
Nordsee eingeengt und die Vermittlungsfähigkeit Englands bei Zwisten
zwischen Deutschland und Frankreich usw. ausgeschaltet. Auffallend muß
es doch bleiben, wenn England aller Abrüstungsreden ungeachtet ein viel
höheres Budget vorgelegt erhält. Auch seine Stellung zur Frage der Kriegs-
konterbande hat England in den letzten Jahren geändert. In Frankreich
ist die Deckung für das Dreijahrsgesetz bis jetzt noch nicht gefunden. Die
Bedeutung der slawischen Vormacht Rußlands steigt von Jahr zu Jahr.
Russisches Volk, russisches Land und russische Sprache muß bei uns immer
stärker in den Kreis der Betrachtung gezogen werden. Rußland ist für uns
ein sehr großes Absatzgebiet; da soll man nicht jedem einzelnen Vorkommnis
von Unfreundlichkeit gegen uns in der russischen Presse eine solche Bedeu-
tung beilegen; es sind das meistens AUlitzableiter für innere Schwierigkeiten.
Die statistischen Zahlen ergaben ein gleichmäßiges Ansteigen der wirtschaft-
lichen Macht des russischen Volkes. Die nordamerikanische Union hat durch
ihr an die südamerikanischen Republiken gestelltes Ansinnen, sich von der
Herrschaft des europäischen Kapitals freizuhalten, während die nordameri-
kanischen Trusts ungehindert bei ihnen eindringen, Mißtrauen gegen die
Union heraufbeschworen. Auch die Vorgänge in Merxiko beweisen nur die
Auffassung, daß es sich um eine Expansion der Union über ihre südlichen
Grenzen hinaus handelt. In China muß unsere Politik darauf gerichtet
sein, Deutschland im fernen Osten den Anteil an Betätigung zu sichern,
auf den es Anspruch hat. Das deutsche Kapital muß dabei dem deutschen
Naufmann zu Hilfe kommen. Wenn Rußland an eine Aufteilung Chinas
denkt, so muß es unser und Englands Bestreben sein, die Interessen des
beiderseitigen Handels zu wahren."
Abg. Prinz zu Schönaich-Carolath (Nl.): „Sasonow hat der
Feichsdung Aufschluß über die russische auswärtige Penuu gegeben. Schade,
daß der Wortlaut uns noch nicht vorliegt und wir darauf in unserer Aus-