Das Denisqe Reit und seine einzeluen Glirder. (Mai 14.) 291
machungen nicht nötig. Unsere Einrichtungen sind so, daß wir sofort mobil
sind. In Rußland hat man dieses Gefühl nicht. Man soll im Verkehr mit
dem Auslande vollkommen ruhiges Blut behalten. Eine große Tageszeitung
hat dieses kalte Blut allerdings verloren. Ich will sie nicht nennen. In
(inem Aufsatz, der geradezu Aufsehen in der ganzen Welt erregt hat, hat sie
die Unfreundlichkeit Rußlands unterstrichen und so hervorgehoben, daß es
beinahe aussah, wie einst ein kalter Wasserstrahl zu Bismarcks Zeit. Nur
daß jener Wasserstrahl aus einer kräftigen Feuerspritze kam und so stark
war, daß der Getroffene platterdings hinstürzte. So stark war nun dieser
Wasserstrahl nicht, aber er hatte eine unangenehme Nebenwirkung. Viel-
leicht übt der Staatssekretär seinen Einfluß auf das Blatt dahin aus, daß
es einen solchen Wasserstrahl nicht wieder hinaussendet. Was der Staats-
sekretär über die russische Presse gesagt hat, war durchaus richtig. Die
russische Presse wendet sich gegen uns zum Teil aus Rassegründen, zum
Teil im Dienste einer Clique, die machtlüstern ist und in einem Gegensatz
zur gegenwärtigen Regierung steht. Diese Clique hat ihre Fäden bis hoch
nach oben; Weiteres will ich nicht sagen. Rußland hat nun neuerdings
einen Getreidezoll und Mehlzoll eingeführt. Ich will auf die wirtschafts-
volitische Seite der Frage nicht eingehen; das wird später noch genug ge-
schehen. Dagegen, daß Rußland für sich den Getreidezoll einführte, laßt
sich nichts sagen. Anders aber liegt die Sache mit Finnland. Hier ist es
mindestens fraglich, für mich ist es allerdings unzweifelhaft, ob Rußland
nicht die Verpflichtung hatte, die jetzt geplante Maßnahme zwei Jahre vor-
her anzuzeigen. Ich glaube, daß diese Verpflichtung besteht. Jedenfalls
wird die Erfahrung, die wir hier gemacht haben, für das Auswärtige Amt
eine Mahnung sein, in seinem Entgegenkommen nicht zu weit zu gehen
und in seiner stillen Duldung gewisse Grenzen nicht zu überschreiten- Wir
wollen uns auf den Standpunkt der Verträge und der Gesetzmäßigkeit
stellen, aber betonen, daß bezüglich Finnlands eine Benachrichtigung vor-
her nötig gewesen wäre. Jedenfalls sind wir für Rußland sehr gute und
sehr willige Abnehmer. Ich will hierbei an zwei Dinge erinnern, an
Gerste und an Rleie, und an unser Verhalten in der Zollbehandlung. Das
jetzige Verfahren Rußlands läßt allerdings gewisse Sorgen wegen der neuen
Handelsverträge in uns entstehen. Aber auch hier heißt es: Kaltes Blut!
Rußland hat viel mehr zu verlieren als wir. Das muß einmal von dieser
Stelle aus ausgesprochen und kann nicht entschieden genug betont werden.
Wenn Rußland etwa daran denken sollte, die Grenze für die russischen
Landarbeiter zu sperren, dann ist es für Rußland selbst eine zweischneidige
Waffe. Rußland wird nicht gern die Gelder vermissen, die jetzt diese Land-
arbeiter mit nach Hause bringen. Aber wir müssen uns die Dinge sehr
wohl überlegen. Als der Staatssekretär Dr. Delbrück im Namen der ver-
bündeten Regierungen erklärte, daß sie zunächst nicht daran dächten, die
bestehenden Verträge zu kündigen, aber sich wohl für den Fall vorbereiteten,
wenn anderseits eine Kündigung erfolgte, da war es für mich sehr zweifel-
haft, ob diese Erklärung zu diesem Zeitpunkt, an dieser Stelle, in dieser
Oeffentlichkeit zweckmäßig sei. Meine Zweifel sind bestätigt worden. Ruß-
land hat offiziell ausgesprochen, daß es kündigen wird, und Oesterreich-
Ungarn hat gestern ebenso offen erklärt, daß es einen Zusatzvertrag durch-
setzen müsse. Wenn Dr. Delbrück, gedrängt durch die Notwendigkeit, die
Vorbereitungen, die er damals in Aussicht stellte, in Angriff nimmt, so
muß er sie sehr energisch durchführen. Das würde ich ihm raten. Die Lage
ist ziemlich ernst. Es ist kein Mangel an Verantwortlichkeitsgefühl, wenn
ich jetzt damit komme. Aber wir geben ihm den Rat, damit er Ernst macht
und die Sache beschleunigt, damit wir gerüstet sind. Auch vom politischen
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